Wie sieht eine gute, gesunde Beziehung aus? Und wie schnell kann sie vergiftet werden?
HEATHER FORAN: In der Partnerschaft sind Respekt, Vertrauen, gemeinsame Interessen, geteilte positive Emotionen und Erfahrungen, physische Nähe und möglichst wenig negative Emotionen sowie Konflikte wichtig. Viele individuelle und soziale Faktoren wie stressiger Job, Alkoholmissbrauch und finanzielle Belastung können die Partnerschaftsgesundheit beeinflussen. Gewalt gegen den Partner oder Familienmitglieder ist ein Weg, die Beziehung in kurzer Zeit zu vergiften.

Wie definieren Sie Gewalt?
Es gibt vier Arten der Gewalt: physische, psychologische, sexuelle Gewalt und Vernachlässigung. Schlagen und Stoßen gehören zu physischer Gewalt. In schweren Formen führt die körperliche Gewalt zu Verletzungen bis hin zum Tod. Psychische Gewalt beinhaltet Bedrohung, Demütigung oder Kritik an dem Partner oder dem Kind in einer Weise, die zu Angst, Stress und depressiver Stimmung führt. Unter sexueller Gewalt versteht man Vergewaltigung und andere Formen von unerwünschten sexuellen Verhaltensweisen. Vernachlässigung ist eine der häufigsten Formen der kindlichen Misshandlung und beinhaltet sowohl emotionale als auch körperliche Vernachlässigung. Auch in Partnerschaften, wenn der Partner chronisch erkrankt ist, kann es eine Vernachlässigung in der Pflege geben.

Wie häufig kommt Gewalt in Beziehung und Familie vor?
Circa eine von vier Frauen in Europa ist Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt. Psychologische Gewalt kommt noch häufiger vor. Die Prävalenz von Kindesmissbrauch variiert je nach Region. Auf der Datengrundlage, die von der WHO zusammengefasst wurde, sind zehn Prozent aller Kinder von sexuellem Missbrauch betroffen, 23 Prozent von körperlichem und 29 Prozent von psychischem Missbrauch.

Wie steht Gewalt in Zusammenhang mit geistiger und körperlicher Gesundheit?
Gewalt, vor allem in der frühen Kindheit, erhöht das Risiko für chronische Entzündungen, beeinträchtigt die Immunfunktion, wirkt sich auf die Stressreaktion und Hirnentwicklung aus und kann zu epigenetischen Veränderungen führen. Im Fall einer Vernachlässigung ist die Gesundheitsversorgung durch schlechte Ernährung oder fehlende Zahnpflege nicht gewährleistet.

Warum macht Gewalt krank?
Es gibt spezifische biologische Wege, die den Zusammenhang zwischen Gewalt und körperlicher sowie geistiger Gesundheit erklären. Das ist aktuell ein sehr aktives Forschungsgebiet. Nicht alle Mechanismen sind bekannt. Zum Beispiel wird gezeigt, dass die Kindermisshandlung mit Zellschäden, erhöhtem oxidativen Stress und erhöhter Entzündung verbunden ist. Chronische Krankheiten können das Resultat sein.

Sie vertreten die Meinung, dass familiäre Risikofaktoren im Gesundheitssystem erfragt werden sollten, damit Krankheiten besser behandelt werden können. Warum?
Familiäre Risikofaktoren können sowohl direkte als auch indirekte Einflüsse auf die körperliche und geistige Gesundheit haben. Wenn ein Missbrauchsopfer Verletzungen oder Prellungen vorweist, ist es bei der Hilfestellung und Pflege wichtig, zu wissen, ob Gewalt von einer vertrauten Person ausschlaggebend war.

Wo kann präventiv angesetzt werden?
Es gibt Präventionsprogramme zur Vermittlung von gesunden Partnerschaften und zum Lernen von frühen Anzeichen von missbräuchlichen Beziehungen sowie Erziehungsprogramme, die den Eltern helfen sollen, mit ihren Kindern in gesundheitlicher Weise zu interagieren.