Rund 11.000 Jugendliche – diese Zahl beruht auf Schätzungen – wachsen österreichweit außerhalb ihrer Familien auf. Als „Care Leaver“ bezeichnet die Fachsprache diese auf sich allein gestellten Heranwachsenden, die sich ohne Hilfe durchs Leben kämpfen müssen. Wissenschaftler interessieren sich dafür, wie gut das klappt: Eine Studie der Uni Klagenfurt widmet sich aktuell den Bildungschancen der „Care Leaver“.

„Die Chancen auf formale Bildungsabschlüsse sind nicht gerecht verteilt“, sagt Stephan Sting vom Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. Allerdings sei gerade eine gute Ausbildung heute unverzichtbar, um voranzukommen. Besonders bei jenen Jugendlichen, die ohne Unterstützung aus dem Elternhaus den Bildungsweg beschreiten müssen, wird das zum Problem: „Heute sind längere Ausbildungswege die Norm, zudem werden Personen mit schwierigen sozialen Voraussetzungen kaum gefördert“, sagt Sting. Dennoch würden es immer wieder auch junge Menschen mit äußerst nachteiligen Biografien auf eine erfolgreiche Berufslaufbahn schaffen. Für diese Beispiele interessiert sich der Erziehungswissenschaftler besonders.

Unbekannte Gruppe

In seinem Forschungsprojekt will Sting feststellen, wie es „Care Leaver“ bewerkstelligen konnten, trotz widriger Umstände ihre kaum vorhandenen Bildungschancen zu nutzen. „Daraus wollen wir ableiten, wie man andere Jugendliche in dieser Situation besser begleiten kann“, sagt Sting. Dafür will er mit einem Forschungsteam eine qualitative Untersuchung der Bildungsbiografien von „Care Leaver“ durchführen – 25 bis 30 Personen sollen dafür befragt werden. Flankiert wird dies von einer systematischen quantitativen Studie, die Aufschluss über die Charakteristika dieser besonderen Bevölkerungsgruppe geben soll. „Man weiß schlicht und einfach noch nichts über diese jungen Menschen. Wir wollen erstmals fundierte Daten über sie erheben“, sagt Sting.

Dazu müssen er und seine Mitarbeiter aber zunächst an die „Care Leaver“ herankommen – keine leichte Aufgabe, denn nicht alle Jugendlichen sprechen gerne über ihre schwierige Lebenssituation. Unter den Betroffenen befinden sich aber auch solche, die Erfolgsstorys zu erzählen haben oder einfach froh sind, dass sich jemand für ihre Geschichte und Situation interessieret. Mit diesen Studienteilnehmern will Sting dann auch tiefer gehende Gespräche führen.

Für den ersten Kontakt mit den „Care Leaver“ bieten sich zudem institutionelle Wege an – Notschlafstellen, Streetworker, das AMS – Einrichtungen eben, die Jugendliche in ihrem abenteuerlichen Aufwachsen zu Hilfe gezogen haben. Sting bemängelt, dass diese Auffangnetze jedoch nicht ausreichen: „Wenn diese jungen Menschen studieren wollen, stehen sie vor massiven Schwierigkeiten. Finanzielle und moralische Unterstützung wird vom Staat nur begrenzt geleistet. Mit unserer Studie wollen wir aufzeigen, dass mehr zu tun ist.“