Der Tag ihres 50. Geburtstages war für Astrid Hammer lebensverändernd. Und das nicht etwa,weil sie nun ein halbes Jahrhundert Lebenszeit hinter sich hatte. An diesem Tag trat sie ein Praktikum bei der Gärtnerei Kubart in Mitterdorf an – ein Praktikum, das mit der Entscheidung endete: Dort will ich eine Lehre machen.
Zu alt fühlt sich Hammer dafür keineswegs: „Begeisterung ist Dünger für das Gehirn. Ich glaube, niemand hat je ausgelernt.“ Bereit für Veränderungen –vor allem im beruflichen Bereich – war Astrid Hammer schon immer. Nach ihreranänglichen Arbeit als Kindergartenpädagogin studierte sie Jazzgesang in Wien. Daraufhin arbeitete Hammer mehrere Jahre als Gesangslehrerin an privaten Musikschulen. Aber irgendwann packte sie, damals Ende 30, die Abenteuerlust: „Ich habe beschlossen, als Sängerin auf Kreuzfahrtschiffen zu arbeiten. Das habe ich jetzt rund zehn Jahre lang mit Freude gemacht.“ Aber dann kam der Punkt, an dem Hammer beschloss, endlich einmal wieder sesshaft zu werden. Zurück in den alten Beruf? „Das kam für mich nicht infrage“, erzählt sie. „Ich wollte etwas Neues lernen. Die Musik verflüchtigt sich schnell. Ich wollte etwas, das bleibt – da war für mich klar, dass ich diesen Weg nur über eine Lehre gehen kann.“
Der spezielle Lebenslauf kommt gut an
Welcher handwerkliche Beruf es genau werden sollte, war anfangs nicht klar. Bis hin zur Instrumentenbauerin schwebte ihr so einiges vor. „Ich habe dann einfach begonnen, mich nach Unternehmen in meiner Umgebung umzuschauen und zu überlegen, was für mich passt.“ Dabei stieß sie auf die Gärtnerei Kubart. Die Antwort auf das Bewerbungsschreiben ließ nicht lange auf sich warten. „Mein spezieller Lebenslauf hat meinen heutigen Chef neugierig gemacht“, sagt Hammer.
Die vielseitige Lebenserfahrung und die vorhandenen Lebensjahre scheinen ein klarer Vorteil gewesen zu sein. „Aber ich bin mit Abstand der älteste Lehrling im Betrieb. Meine Kollegin ist neunzehn.“ Nach einem kurzen Praktikum war für beide Seiten klar: Hammer wird hier ihre Lehrstelle antreten. „Für mich ist dieser Beruf die perfekte Mischung aus Kreativität und Handwerk.“ Und das Beste: Mit ihrem Vorgesetzten hat sie eine Lösung gefunden,wie sie trotzdem beruflich nicht ganz auf das Singen verzichten muss.Bestellt jemand einen Blumenstrauß als Geburtstagsüberraschung, kann Hammer diesen auf Wunsch singend zustellen. Auch ansonsten fühlt sich die 50-Jährige im Betrieb pudelwohl. Ein Problem mit ihrem Alter hat dort niemand– und sie selbst schon gar nicht: „Für mich ist es völlig klar, dass ich noch nicht alles wissen kann und immer wieder nachfragen muss.“ Von den Kunden werde die 50-Jährige aufgrund ihres Alters ohne hin nie als blutige Anfängerin verdächtigt.
Postive Rückmeldungen
Das soziale Umfeld Hammers reagierte durchwegs positiv auf den neuen Lebensplan: „Freunde und Familie kennen mich ja. So etwas verwundert sie nicht. Außerdem waren sie nach den letzten Jahren froh, dass ich nun länger zu Hause bleiben werde.“ Mit ihrer Entscheidung rundumzufrieden, appelliert Hammer auch an andere Erwachsene, die einen Berufswechsel in Erwägung ziehen: „Wenn man etwas unbedingt will, sollte man es einfach machen. Wenn das Interesse und die Leidenschaft da sind, fällt auch das Lernen nicht schwer.In der Berufsschule mit jungen Kollegen die Schulbank drücken muss Hammer aber nicht. Durch eine Prüfung konnte sie das erste Berufsschuljahr überspringen. Für die Lehrabschlussprüfung hat sie nun drei Monate lang zweimal die Woche einen Kurs besucht. Kein Problem: Als Sängerin am Kreuzfahrtschiff musste sie immer wieder für Sicherheitsschulungen lernen. Für ihren Abschluss wird sie wohl auch noch einmal in die Bücher blicken müssen: „Insgesamt muss ich 18 Monate im Betrieb gearbeitet haben. Dann darf ich zur Prüfung antreten.“ In rund einem Jahr ist es dann soweit: Astrid Hammer hat ausgelernt–zumindest vorerst.