Die Freizeit war knapp. Abendtermine, Wochenendtermine – Hauptsache Karriere. Man verliert den Blick auf sich selbst, sagt Gerhard Hetzl heute über die Zeit, die den Grundstein zum Burnout vor drei Jahren legte. Im Jahr 2000 wurde er in den Nationalrat gewählt, zwei Jahre später ging er wieder in die Privatwirtschaft zurück. Eine Zeit, die sehr viel Energie gekostet hat, die mir irgendwann abgegangen ist. Neben dem Job habe ich ein Haus gebaut, an der Fachhochschule unterrichtet und einen Wahlkampf geführt. Ich habe nicht mehr gewusst, wo ich anfangen soll. Es war von Anfang an aussichtslos, nicht einmal mit 50 Prozent Engagement in jeder Sache hätte es funktioniert – 200 Prozent stehen eben nicht zur Verfügung.

Zusammenbruch

2005 rutschte er das erste Mal bewusstlos vom Sitz – in einem Zug nach Wien. Ein Freund schleppte ihn aus dem Abteil. Nach einer Stunde wachte er im Krankenhaus auf. Die Ärzte haben einen epileptischen Anfall vermutet, dabei hat einfach das Hirn ausgesetzt. Das ist mir jetzt klar. Drei Wochen Krankenstand mit Epilepsiemedikamenten. Immer im Hinterkopf, dass es jederzeit wieder passieren kann. Das Medikament setzt er ab, die Zweifel bleiben. 2007 bricht er erneut zusammen, diesmal im Büro.

Beim zweiten Mal bin ich vom Sessel gekippt. Diesen Aussetzern ist immer eine intensive Gehirnarbeit vorausgegangen. Stundenlange Computerarbeit ohne Pause. Ich konnte die Wörter nicht mehr zusammenfügen, sie ergaben keinen Satz mehr. Dann war’s auch schon zu spät. Totales Blackout. Im Krankenhaus haben sie mich nach Hause geschickt. ,Schlaganfall haben sie keinen’, haben die Ärzte gesagt. ,Gehn’s heim, sie haben sich wahrscheinlich getäuscht.’ Eine Woche später habe ich gearbeitet, man ist ja unabkömmlich. Spätestens da hätte ich sagen müssen: aus und vorbei.

Psychisch und körperlich ausgelaugt

Er schläft wenig, geht mit Kopfdruck und Verspannungen aus dem Haus. Man steht übermüdet auf, kann das alles nicht mehr richtig verarbeiten. Jeden Tag. Es ist wie in einer Tretmühle. Es graust einem vor der Arbeit, den Kollegen, man wird aggressiv und ist unausstehlich. Man kennt sich selbst nicht mehr. 2007 zog er den Schlussstrich und reichte die Kündigung ein. Ich war fertig, psychisch und körperlich ausgelaugt. Trotzdem habe ich noch drei Monate gearbeitet. Die Blöße zu sagen, dass ich nicht mehr kann, wollte ich mir nicht geben. In den ersten Tagen der Arbeitslosigkeit schlief er stundenlang.

Wir haben zuhause einen kleinen Obstbaubetrieb. Das hat mich gerettet. Wäre ich untätig in einer Wohnung herumgesessen, wäre es sicher zu einer Depression gekommen. So habe ich jeden Tag körperlich gearbeitet. Ich hatte etwas, das mich ausfüllt. Nach drei Monaten schrieb Gerhard Hetzl zwei Bewerbungen und trat seinen jetzigen Job an. Ich konnte erst nach Monaten wieder voll konzentriert durcharbeiten und habe Mentaltrainingsbücher verschlungen. Damit bin ich wieder in die Lage gekommen, wach zu sein. Gerhard Hetzl ließ sich zum Mentaltrainer ausbilden und schrieb ein Buch. Es ist eine Aufforderung, sich selbst wieder ein bisschen mehr in den Lebensmittelpunkt zu rücken.