Nur wenige äußern als Kind schon den konkreten Wunsch, Dokumentarfilmer zu werden. Wie lief das bei Ihnen?
WERNER BOOTE: Ich hatte damals überhaupt keinen Wunsch. Ja, höchstens: Als Jochen Rindt so erfolgreich war, dachte ich kurz daran, Formel-1-Pilot zu werden.
Wie führte der Weg zum Film?
BOOTE: Indem ich Kabelhalter beim ORF und Produktionsfahrer bei Valie Export wurde. Da erkannte ich den Reiz der Medien. Weil einem da die Leute zuhören.
Wann drehten Sie die erste Doku?
BOOTE: Mit 27, es war eine ORF-Produktion über Südtirol, kurz nach dem neuen Autonomiegesetz. Da bekam ich gleich Morddrohungen. Über Postkarten, die ich nicht so ernst nahm, aber eine auf Maschinenschreibseite war schon ziemlich unheimlich. Da habe ich echt Angst gekriegt.
Ihre Biografie führt auch nach Amsterdam, zwischen 1993 und 2002. Wie das?
BOOTE: Schuld war das Schubladendenken. In Österreich bekam ich Angebote als Aufnahmeleiter oder Regieassistent. Ich wollte aber Regisseur sein. In Holland drehte ich unter anderem für den "Telegraaf" eine Doku über die "Sucht" der Journalisten, die oft, etwa bei einem Geiseldrama, Tag und Nacht nicht schlafen, damit ihnen keine Neuigkeit entgeht.
Wo liegt die Faszination der Dokumentationen?
BOOTE: Dass man der Neugierde ihren Lauf lassen kann, dass der Sog immer Richtung Thema geht.
Das ist bestimmt anstrengend.
BOOTE: Insofern ja, als dass es hin und wieder zu Schlaflosigkeit führt. Oft wache ich nachts auf, weil mich eine Frage quält oder mir eine Lösung eingefallen ist.
Nachdem Sie einige Musikthemen aufgegriffen hatten, für "Kurt Rydl - Der Gladiator", sorgten Sie beim Festival FIPA für Furore, waren für den Emmy Award und den europäischen Filmpreis nominiert - gelang mit "Plastic Planet" der ganz große Wurf. Der Film lief bisher in 66 Ländern und führte zu Konsequenzen. Etwa . . .?
BOOTE: Die giftige Substanz BPA in Babyflaschen oder Schnullern verschwand sehr schnell vom Markt. Nachdem erwiesen war, dass jedes dritte Kamel in der Wüste an Plastiksackerln verendete, gab es in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein spontanes Plastiksackerl-Verbot, und in unseren Supermärkten hören Sie immer seltener die Frage: "Wolln'S a Sackerl?" Außerdem gibt es nun in Wörterbüchern das Wort "Plasticarians". Die steirische Familie Krautwaschl war dabei Vorbild. Sie hatte versucht, ein Jahr lang ohne Plastik auszukommen, das führte zu einer richtiggehenden Bewegung.
Früher liefen Dokus meist nur im Fernsehen. Sie arbeiten vorzugsweise fürs Kino. Der Vorteil?
BOOTE: Durch die höheren Geldmittel kann man besser und genauer recherchieren.
Für das neueste Projekt haben Sie beim Grazer Elevate-Festival gedreht. Worum geht es?
BOOTE: Dort waren Hacker-Kapazunder aus der ganzen Welt versammelt. Mir geht es um die Anonymität des Menschen in der Zukunft. Im Mittelpunkt steht aber nicht die Frage, was technisch möglich sein wird, sondern die daraus resultierende gesellschaftliche Umwandlung. Und schon beim Dreh in Graz gab es hochinteressante Ergebnisse.
LUIGI HEINRICH