Während wir uns hier unterhalten, verlängert sich die Menschenschlange vor Ihrer Apotheke in Villach beinahe sekündlich. Ist das Test-Aufkommen noch zu stemmen?
Klaus Schirmer: Es war der Politik wahrscheinlich nicht bewusst, was mit dieser Regeländerung in Gang gesetzt wurde. Jeder will einen PCR-Test. In Wahrheit müssen wir schon bei den Tests triagieren, also entscheiden, wen wir testen und wen wir wieder wegschicken müssen.

Wer trifft diese Entscheidung - und nach welchen Gesichtspunkten?
Das machen bei uns wirklich nur die routinierten Mitarbeiter, die das Urteils- und Standvermögen haben. Wir wollen allen helfen, weil das unsere DNA ist. Wenn es aber in Richtung Reservekapazität geht, müssen wir entscheiden dürfen: Wer braucht den Test dringend? Es gibt immer einen Todesfall, eine schnelle Operation oder eine kollabierte Gattin, eine Schwangerschaft – das sind ja unplanbare Lebensereignisse. Der Mensch ist in dieser Situation überfordert und braucht Hilfe. Meinen Mitarbeitern, die seit 20 Jahren an der Front stehen, traue ich es zu, dass sie einen Notfall erkennen können.

Wie gehen Ihre Mitarbeiter mit der Verantwortung und dem Druck um?
Mit diesem Szenario waren wir davor nie konfrontiert. Auf das sind wir nicht vorbereitet gewesen. Weder emotional, noch rhetorisch, noch konzeptuell. Es blutet uns allen das Herz, wenn wir jemanden wegschicken müssen, der vielleicht mit seinem Buben zum Eishockey gehen wollte, die Schwangere dahinter aber einen dringenderen Bedarf darstellt. Die aktuelle Situation ist enorm belastend für unser gesamtes Team und es frustriert sehr, dass alle ihr Bestes geben – und das nicht genug ist. Da kommt auch oftmals der Verdacht hoch, dass das sogar gewollt ist. Nach dem Motto: 'Die sollen ein bisschen leiden, damit sie sich impfen lassen'.

Die Wartezeiten für PCR-Testergebnisse verzögern sich in Villach teilweise stark. Was macht sie so langwierig?
Im Gegensatz zum Antigen-Test, wo wir den Gesamtprozess selbst in der Hand hatten, ist beim PCR-Test ein Labor notwendig. Das nächste steht in Graz, in die andere Richtung in Außervillgraten. Die Logistik wird zum zunehmenden Risikofaktor. Geht nur eine Lawine oder Mure runter, dann scheitert der Transport. Passiert auf der Pack ein Unfall im Gräberntunnel, dann scheitert es am Transport. Auch haben die Labors Annahmezeiten. Wer zehn Minuten zu spät kommt, ist in der nächsten Runde drin und es verzögert sich wieder um sechs Stunden. Dazu kommen ständige Ausfälle beim ELGA-System der Krankenkassen, beim Screening-Portal des Bundesrechenzentrums, auch die Server der Labors gehen phasenweise in die Knie, und dazu kommen noch Netzausfälle bei Mobilfunkanbietern. Es gibt viele Faktoren, an denen es dann scheitern kann, dass der Kunde sein Ergebnis nicht rechtzeitig erhält.

Der immense Aufwand soll sich rechnen. Sind Sie nun reich?
Ja, reich an Erfahrung und an Stolz, dass wir uns dieser Aufgabe stellen. Auch das Image wurde aufgewertet, Schlangen vor unserer Apotheke und jener unserer Kollegen sind fast schon der Normalzustand. Aber ich weiß natürlich, Sie sprechen das Finanzielle an: Es wäre gelogen zu sagen, es wäre kein Geschäft. Riesengeschäft ist es aber keines. Du brauchst Equipment, Geräte, Räumlichkeiten, Personal – ich habe alleine heuer zwölf neue Mitarbeiter eingestellt -, Prozesse, Material, Dokumentation, Zugang und Logistik. Fehlt eine dieser  Komponenten, bist du nicht dabei. Allein die Personalsuche, die derzeit alle Branchen quält, ist ein Grund, warum einige Apotheken schon aufgeben mussten.

Nun haben sich Abläufe eingespielt, wie war das in der ersten Test-Hochphase?
Sehr spannend, vor allem die Beschaffung. Die ersten Antigen-Tests mussten wir noch direkt in China bestellen. Dabei wurden Lieferungen in Dubai am Flughafen abgefangen. Amerikanische Agenten mit Geldkoffer passten die Ladungen ab und waren bereit, das Doppelte zu zahlen. Und schon flog die Maschine nicht zu uns, sondern nach Houston. Das waren Zustände wie im Wilden Westen.

Wie stehen Sie zu einer generellen Testpflicht?
Wir haben eine interne Testpflicht eingeführt. Ich bin doppelt geimpft und teste mich trotzdem regelmäßig, weil wir wissen, dass es Impfdurchbrüche gibt und sich keiner sicher sein kann. Ich vergleiche die Impf-Diskussion mit dem Aufziehen der Winterreifen. Sie schützen mich und dass mir etwas passiert, ist unwahrscheinlicher. Es kann aber trotzdem sein.

Sehen das auch Ihre Mitarbeiter so?
Ich habe auch Ungeimpfte in meinem Team, Genesene zum Beispiel. Operierte, solche, deren Gesundheitslage eine Impfung nicht erlaubt. Die Mitarbeiter haben die gleichen Informationen wie ich, haben die gleichen Impfwebinare besucht, sind aber teils zu anderen Schlüssen gekommen. Das zu respektieren, war nicht leicht. Ich könnte es mir einfach machen und sagen: 2G am Arbeitsplatz. Wem es nicht passt, der kann gehen. Damit stoße ich aber alle vor den Kopf, die sich in den letzten Jahren und Monaten um die Firma verdient gemacht haben. Ich hatte erwartet, dass, wenn der erste Ungeimpfte ausfallen wird, die anderen mit dem Finger auf denjenigen zeigen und sagen: 'Super, jetzt darf ich für dich hackeln'. Das Gegenteil war der Fall. Es wurde intern heftigst diskutiert, aber die Meinung des anderen akzeptiert. Und das ist für mich auch ein Stück Betriebskultur, auf die wir stolz sind.

Werden kostenpflichtige Tests kommen?
Das wird wahrscheinlich, wenn sich die Zahlen weiterhin negativ entwickeln, der nächste logische Schritt sein. Ich glaube nicht, dass es existenzbedrohend sein wird, wenn wir eine Rezeptgebühr einheben müssen. Was ich mir aber nicht vorstellen kann, ist 2G am Arbeitsplatz, weil wir damit sehr viele gute Leute in die Arbeitslosigkeit drängen würden.