Ein langes, weißes Wattestäbchen, ein paar Minuten seiner eigenen Lebenszeit und Handeln aus Nächstenliebe. Das sind die drei Zutaten, die es brauchte, damit der neun Monate alte Elias wieder lachen kann. Es sind drei Zutaten, die es braucht, damit man der zehnjährigen Maria oder der erst einen Monat jungen Elina wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann.

Denn Maria hat Leuk­ämie – Blut­krebs – und ist auf die Hilfe an­de­rer an­ge­wie­sen, damit ihr noch so jun­ges Leben eine Fort­set­zung fin­det. Un­ter­stüt­zung er­hält sie von "Geben für Leben", einem Ver­ein, der ös­ter­reich­weit so­ge­nann­te Ty­pi­sie­rungs-Ak­tio­nen durch­führt. "Wenn ein Mensch an Leuk­ämie er­krankt und Che­mo­the­ra­pi­en nicht mehr grei­fen, ist die letz­te Chan­ce, um zu über­le­ben, eine Stamm­zel­len­spen­de", er­klärt Julia Neu­ge­bau­er (44). Für den Ver­ein ko­or­di­niert sie die Bun­des­län­der Kärn­ten und Stei­er­mark.

Typisierung und Spende völlig schmerzfrei

Wie läuft so eine Typisierung ab? Ein Lokalaugenschein in der Landeshauptstadt: Ein kleiner Raum, Tische in U-Form aneinander gereiht, zwei Laptops stehen darauf. Neugebauer wartet beim Eingang des Raumes, der sich in der Wirtschaftskammer Klagenfurt befindet, und passt jene Menschen ab, die sich an diesem Tag typisieren lassen wollen. "Die Typisierung ist eine völlig schmerzfreie Prozedur, unbürokratisch und kostenlos", klärt sie auf. Nach dem Gespräch folgt eine digitale Registrierung, ehe der Wangenabstrich erfolgt. Keine fünf Minuten vergehen und man rettet potenziell Leben. Einzige Auflage: Man muss gesund und zwischen 17 und 45 Jahre alt sein. Mittlerweile kann man sich auch ein Typisierungskit bequem nach Hause liefern lassen.

Dennoch sind in Kärnten nur rund 10.000 Menschen typisiert. In Österreich erkranken jedoch täglich drei Menschen pro Tag an Leukämie. "Seit 20 Jahren geistert die Mär einer schmerzhaften Rückenmarkspende in den Köpfen der Menschen umher, sobald sie Stammzellenspende hören", erklärt Vereinsobfrau Susanne Marosch. Es bedürfe viel mehr Aufklärungsarbeit, um diesen Mythos bloßzustellen.

Stammzellen an Kanadierin gespendet

Eine der registrierten Spenderinnen ist Karin Schweighofer, Pressesprecherin der Stadt St. Veit. Sie hat im August 2021 an einer Typisierungsaktion teilgenommen und bereits ein Jahr später eine hoffentlich lebensrettende Stammzellenspende abgegeben. Benötigt wurde diese von einer 55 Jahre alten Kanadierin.

Im April kam der Anruf: "Es könnte sein, dass Ihre Stammzellen passen und dringend gebraucht werden." Schweighofer war sofort zu einer Spende bereit. In Kanada hat man erst einen innerfamiliären Spender für die erkrankte Frau gesucht – aber nicht gefunden. "So wurde ich im Juni gebeten, in die Nähe von München zu kommen und zu spenden", erzählt Schweighofer. Zur Vorbereitung musste sie sich noch an fünf Tagen eine Spritze verabreichen, in München wurde sie nochmals komplett durchgecheckt. "Nach wenigen Tagen hat mein Körper das Gleichgewicht wieder hergestellt, aber für die Dame in Kanada geht die Reise erst los", sagt die St. Veiterin.

Die Erkrankte bekommt die isolierten – im gefrorenen Zustand übermittelten – Stammzellen über eine Infusion. Dann beginnt im besten Fall ihr Körper mit einer neuen Blutproduktion. "Wie es ihr geht, weiß ich noch nicht. Wir dürfen uns anonymisiert E-Mails schreiben. Wenn beide wollen, ist ein persönlicher Kontakt erst in zwei Jahren möglich", erklärt Schweighofer. Sie möchte ihren genetischen Zwilling auf jeden Fall gerne kennenlernen und vor allem andere motivieren. "Ein gesunder Mensch verkraftet das und kann ein Leben schenken, das ist den kleinen Aufwand auf jeden Fall wert."

In 20 Jahren "Geben und Leben" ergaben sich rund 40.000 Typisierungen und 361 SpenderInnen wurden gefunden. Die Chance, einen Spender zu finden, liegt bei 1:500.000 bis 1:1.000.000. Obfrau Marosch sieht definitiv noch Luft nach oben und verweist auf die Vereinsstrukturen:

Bessere Förderung gefordert

Man finanziert sich zu 100 Prozent aus Geldspenden, eine Förderstruktur besteht, ist aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. "Vom Bundesland Vorarlberg erhielten wir heuer erstmals 3000 Euro. Eine Typisierung kostet uns 40 Euro", gibt Marosch zu bedenken und erinnert an 2017, als dem Verein das Geld ausging: "Geldspenden hatten wir, aber es ließen sich zu viele Menschen typisieren, sodass wir die Wangenabstriche nicht mehr finanzieren konnten." Sie fordert, dass der Staat einen Teil der Typisierungskosten mitfinanziert.

Die nächsten Typisierungsaktionen finden übrigens am 17. November in St. Veit (Büro Pirker & Partner) und am 18. November in Feldkirchen (FH Feldkirchen) statt. Je mehr Menschen sich typisieren lassen, desto höher wird die Chance, dass Maria und Elina wieder genauso lächeln können wie Elias. Die Kosten von 40 Euro für die Typisierung bei Pirker & Partner übernimmt die Versicherungsfirma: Außerdem wird frisch geschnittener Prosciutto serviert.