Winter in den Tiroler Bergen. Jäh verdunkelt sich das Bild. Eine dunkle Gestalt läuft auf eine Berghütte zu. Es ist ein Krampus oder eine Percht – je nach Sichtweise. Die Hüttengäste erstarren. Die düstere Gestalt kramt etwas aus dem Fell hervor. Es ist ein Kinderhandschuh, den er an die junge Besitzerin übergibt. Die Wirtin kommt aus der Küche, lächelt, begrüßt den zotteligen Gast und fragt ihn, ob er etwas bestellen möchte. Dieser entgegnet in höherer Stimmlage: "I hätt' gern an Latte Macchiato. Mit Hafermilch bitte."

Dieser Werbespot der Tirol Werbung ist Teil der Winterkampagne 2022 und soll Gastfreundschaft und Toleranz vermitteln. "Die Tiroler Gastfreundschaft kennt keinen Dresscode und jeder ist willkommen, wie er ist. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, an denen man sich gleich wie zu Hause fühlt. Tirol steht auf der Liste der Herzlichkeit und Gastlichkeit ganz weit oben", heißt es im Werbetext. Dafür bekam der Spot "Percht Latte" bereits einen Silbernen Delfin. Die Jury der Cannes Corporate Media & TV Awards wählte dabei aus 800 Einsendungen aus 40 Ländern aus.

Ein "Affront gegen heimische Milchbauern"

Doch nicht bei allen kommt der neue Werbefilm gut an. Dem Tiroler Landwirtschaftskammerpräsidenten Josef Hechenberger stößt die Hafermilch regelrecht sauer auf: "Wir sind zu allen herzlich, außer zu unseren eigenen Bäuerinnen und Bauern – das würde es wohl eher treffen." Das Video sei ein Affront gegenüber den Tiroler Bauern, die mit ihrer Bewirtschaftung dafür sorgen, dass die Kulturlandschaft für Einheimische sowie Touristinnen und Touristinnen so ansprechend ist. Hechenberger ist entrüstet: "Es kann doch nicht sein, dass in einem Werbevideo für Tirol, das traditionelle Gastfreundschaft hochhält, 'Hafermilch' und nicht die ureigene, echte Tiroler Milch vorkommt." Für Hechenberger müsse die Tirol Werbung diesen Werbeauftritt hinterfragen.

Tirol Werbung reagiert

Seitens der Tirol Werbung reagiert man nun darauf. Der Spot soll schnellstmöglich überarbeitet werden. "Das Wort Hafermilch wird nicht mehr ausgesprochen, um Irritationen bei den Tiroler Bäuerinnen und Bauern zu vermeiden", erklärt Florian Neuner, Leiter der Unternehmenskommunikation.

Bezeichnung "Hafermilch" seit 2017 verboten

Die rasche Reaktion der Tirol Werbung hat aber wohl vor allem einen rechtlichen Hintergrund. Denn seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2017 dürfen rein pflanzliche Milchersatzprodukte nicht mehr als "Milch", "Butter" oder "Käse" bezeichnet werden. >>Den Urteilsspruch dazu finden Sie hier<<

Begriffe wie Milch oder Käse seien Produkten tierischen Ursprungs vorbehalten. Seither ist in solchen Fällen meist von "Haferdrinks" die Rede.

Apropos Angebot: Neue, hippe Produkte, die in der Werbung mit ihrem Status als tierische Ersatzprodukte kokettieren, nehmen in den Regalen heimischer Supermärkte nun einen immer größeren Platz ein.

  • Laut AMA-Konsumentenstudie ist auch das Interesse der Österreicherinnen und Österreicher an veganen Produkten von 18 Prozent (Jahr 2017) auf 24 Prozent (2020) gestiegen.
  • 2021 machte der Anteil pflanzlicher "Milchprodukte" laut AMA rund 4 Prozent aus.
  • Gleichzeitig ist von 2020 auf 2021 der Pro-Kopf-Verbrauch an Konsummilch in Österreich von 75 auf 70 Liter gesunken.

Tirol-Milch-Mutter bietet selbst Haferdrinks an

Spannend ist ein weiterer Aspekt der Geschichte: Die Kritik des Tiroler Landwirtschaftskammer-Präsidenten Hechenberger richtet sich auch gegen den Umstand, dass Hafer kein Produkt der Tiroler Landwirtschaft sei und Haferdrinks "importiert werden". Doch im Vorjahr ist ausgerechnet der Mutterkonzern von "Tirol Milch", die Berglandmilch, selbst in die Produktion von Haferdrinks eingestiegen. Mit Hafer, der von Waldviertler Milchbauern angebaut werde.

Auch damals gab es anfangs Kritik von Milchbauern, denen aber sinngemäß seitens der Berglandmilch mitgeteilt wurde - besser man sei selbst Teil des (veganen) Wertschöpfungskuchens als dass man internationalen Großkonzernen dieses Geschäft überlasse. Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer damals: "Wir stellen fest, dass KonsumentInnen aus verschiedensten Gründen gerne auch zu Pflanzendrinks greifen. Mit unserem Schärdinger Haferdrink möchten wir ihnen ermöglichen sich auch weiterhin in der Schärdinger Markenwelt bewegen zu können."