Es ist machbar, auch wenn der vierstündige Auf- und dreistündige Abstieg dem Bergsteiger nicht wurscht sein darf. Kaum ein Berggipfel war in den letzten Monaten so in aller Munde wie der Mullwitzkogel hoch über der Osttiroler Gemeinde Prägraten am Großvenediger.
Meinungen klaffen auseinander. In 2767 Metern Seehöhe ragt er unspektakulär empor und nach der Namensänderung durch den örtlichen Gemeinderat in "Wiesbauerspitze" der Werbeträger schlecht hin. Alpenverein, Umweltschützer, Radio- und TV-Stationen, Kartografen und Minister Josef Pröll meldeten sich in den letzten Tagen zu Wort und die Meinungen über diesen "Werbegag" klafften weit auseinander.
Ein Dschungel im Gebirge. So wie die Vorstellung eines geordneten Aufstieges über einen gemütlichen Wanderweg zur "Wiesbauerspitze". Im Schlepptau von Sigi Hatzer, ein erfahrener Venediger-Bergführer, ließ sich Kleine Zeitung Redakteur Günther Hatz mit Gattin Annelies den Weg zur "Wurstspitze" weisen. Vorbei am tosenden Wasserschaupfad Umbalfälle macht das Wandern über den breiten Weg zur Clarahütte Spaß. In 1930 Metern Seehöhe trennt sich die Spreu vom Weizen. Der immens steile Aufstieg führt am Reggenbach vorbei über Stock und Stein. "Ohne Bergführer ist diese Route nicht zu empfehlen", warnt Hatzer vor Alleingängen. Vom Meer der Alpenblumen wird zumindest das Auge belohnt, egal ob Edelweiss, Schwertlilien oder Enzian. Bei der ersten Rast nach der Schinderei vor der "Hals-Hütte" in 2325 Metern Seehöhe bekommt der Name des Jäger-Standes besondere Bedeutung.
Traumhafter Ausblick. Nach vier Stunden über einen Steig, der bisher nur Schafen, Gämsen, Hirten und Jägern vorbehalten war, ist das Ziel nahe. Aber: Die "Wiesbauerspitze" umhüllt noch ein weißer Rand. "A we Geduld", tröstet Hatzer seine Bergkameraden, ehe er sie die letzten Meter zum Gipfelsieg führt. Und plötzlich: Der dichte Nebel gibt die "Wiesbauerspitze" frei. Es öffnet sich ein Panorama in die Venediger- oder Lasörlinggruppe, von dem sich jeder andere Gipfel eine Scheibe abschneiden könnte. Der Abstieg ins Tal ist Abenteuer pur und 1364 Höhenmeter wert. Bergführer Hatzer: "Bis die ersten Wanderer diese Strecke in Angriff nehmen, braucht es noch viel, viel Arbeit..."