Florian Henckel von Donnersmarck stellt heute im Schüßler-Kino in Wolfsberg seinen faszinierenden Film „Das Leben der Anderen“ persönlich vor. Der Kleinen Zeitung gab er im Vorfeld ein Interview.

Der Kärntner Zweig Ihrer Familie soll den Besuch in Wolfsberg initiiert haben. Würden Sie ein bisschen mehr über Ihre Familienbande erzählen?
HENCKEL VON DONNERSMARCK: Mein Großvater floh zusammen mit seinem älteren Bruder aus Schlesien nach Kärnten. Der hatte dort das Schloss Wolfsberg und ein bisschen Bergwerksindustrie geerbt, und mein Großvater half ihm bei der Verwaltung. Vor dem Krieg war das nur ein winziger Teil des Henckelschen Vermögens gewesen. Nach dem Krieg hatte man plötzlich nichts anderes mehr. Von Diversifizierung wusste man damals nichts. Und so lebte mein Großvater, in Schlesien im Schloss geboren und aufgewachsen, plötzlich in einem winzigen Häuschen im Johann-Ure-Weg nahe Minimundus. Ich selber bin dem Pass nach Österreicher und Kärntner und bekomme auch regelmäßig Drohpost vom Militärkommando Kärnten . . .

Filmemacher aus adeligen Familien sind ja nicht so häufig. Waren Sie ob Ihres Berufswunsches irgendwie das "schwarze Schaf"?
DONNERSMARCK: Es gibt doch einige sehr prominente Ausnahmen. Luchino Visconti etwa war sogar Herzog. Und wer nicht von Geburt aus adelig ist, der wird geadelt – wie mein Lehrmeister Richard Attenborough. Oder er adelt sich selbst wie Lars von Trier.

Erzählen Sie bitte über Ihr Praktikum bei Sir Richard Attenborough.
DONNERSMARCK: Er kam in meinem letzten Oxford-Jahr als Professor für Dramaturgie. Er hatte eigentlich keine Zeit zum Unterrichten, deshalb wählte er durch einen Aufsatzwettbewerb eine kleine Gruppe von Studenten aus, die beim Film "In Love And War" mit Sandra Bullock und Chris O’Donnell seine Praktikanten sein sollten. Ich gab mir beim Aufsatz viel Mühe und gewann. Die Erfahrung war einzigartig. Ich erinnere mich noch genau, wie ich das erste Mal zum Set kam, das war ziemlich genau vor zehn Jahren: Ein italienisches Lazarett aus dem Ersten Weltkrieg, mit unglaublichem Aufwand von Oscar-Preisträger Stuart Craig in den Londoner Shepperton Studios nachgebaut. In diesem Moment nahm ich mir vor, in meiner eigenen beruflichen Karriere nie weniger zu akzeptieren als diesen Standard an Professionalität. Es schien ein absurder Vorsatz, aber ich habe ihn durchgehalten.

"Das Leben der Anderen": Wie kommt einer, der kein Ossi ist, auf eine so tolle Geschichte?
DONNERSMARCK: Was heißt schon Ossi, was Wessi? Mein Vater kommt aus Schlesien, ist also eigentlich ein Super-Ossi, meine Mutter wurde in Magdeburg geboren, floh aber, bevor die Mauer gebaut wurde. Ich selbst lebte 1984, dem Jahr, in dem der Film spielt, in Berlin, das man ja kaum zum Westen zählen konnte. Die ganze Sache ist recht vertrackt. Ich glaube, dass ich dadurch, dass ich beide Seiten kannte und zu beiden etwas Distanz hatte, alles etwas objektiver erzählen konnte, als wenn ich selber vom Stasi brutal verhört worden wäre. Auf die Geschichte kam ich durch den Ausspruch Lenins, der sagte, er wolle seine Lieblingssymphonie von Beethoven (die Appassionata) nicht mehr hören, weil er unter ihrem Einfluss nicht mehr so brutal die Köpfe seiner Feinde einschlagen könnte. Ich überlegte mir, ob ich nicht irgendeine filmische Situation erzeugen konnte, in der Lenin gezwungen wäre, sich die Appassionata doch anzuhören. Aus Lenin wurde mein Stasi-Offizier, und aus der Appassionata die wunderschöne Sonatine, die Gabriel Yared für den Film geschrieben hat.

Inzwischen haben Sie für "Das Leben der Anderen" zahlreiche Preise erhalten, außerdem sind Sie deutscher Oscar-Kandidat. Was bedeuten Ihnen Preise?
DONNERSMARCK: Nicht sooo viel. Vielleicht auch, weil ich mir immer, wenn ich auf einem Siegertreppchen stand, sagte: "Florian, das ist nicht der Oscar!" Nun sind wir aber deutscher Oscar-Kandidat. Also, wenn wir es tatsächlich bis zur Nominierung der letzten fünf schaffen würden, muss ich beginnen, mich zu fragen, was ich mir denn zur Erdung sagen würde, brächte ich den goldenen Schwertkämpfer tatsächlich mit nach Hause. Doch dafür müsste ich erst die 81 besten Filme aus 81 Ländern hinter mir lassen. Die Chancen sind also rein mathematisch ziemlich klein. Aber Mathematik hat mich, ehrlich gesagt, noch nie besonders interessiert.