Ich wollte mein Kind nicht abtreiben, obwohl mich die Ärzte dazu überreden wollten“, sagt Susanna* und schaut die Besucher kampflustig an. „Ich war schon im siebenten Monat.“ Ihr Kind werde behindert auf die Welt kommen und nicht lange leben, hätten die Ärzte prophezeit. Es hätte sich mit dem Herpes-Virus der Mutter infiziert und könne keine Antikörper bilden. Das Gehirn sei dadurch schwer geschädigt.

Ein äußerst seltener Fall. Die meisten werdenden Mütter würden sich in so einem Fall für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. „Die Ärzte haben mich massiv beeinflusst und waren sogar sehr unfreundlich zu mir“, schildert Susanna den Beginn ihres Leidensweges. „Ich habe mit den Ärzten gestritten.“ Man habe ihr gesagt, das Kind werde blind und taub sein und keine Lungenfunktion haben. Sie habe das nicht geglaubt und eine zweite Meinung von einem Spezialisten eingeholt. Der habe gemeint, dass es nicht so schlimm sein würde und das Kind mithilfe von Therapien sehr wohl lebensfähig sein würde. Susanna und ihr Mann entschieden sich für das Kind. „Wir wollten sein Leben nicht schon vor der Geburt beenden. Wir haben auf Gott vertraut und ihm die letzte Entscheidung überlassen.“ Die Vorstellung, über eine Injektion in die Nabelschnur der ungeborenen Tochter einen Herzstillstand zu erwirken und eine Totgeburt einzuleiten, sei außerdem zu entsetzlich gewesen. „Wir mussten uns gegen die Ärzte durchsetzen.“

Bis heute nicht bereut

Die mutigen Eltern haben ihre Entscheidung bis heute nicht bereut. Ihre kleine Tochter Loraine* ist ein entzückendes Wesen, das aufgeweckt ist und mit seinem Liebreiz sofort besticht. Loraine hört und sieht und lacht. Auch ihre Geschwister lieben sie und busseln sie liebevoll ab. „Auch sie wollten sie haben.“ Gleich nach der Geburt habe das Mädchen entgegen den Vermutungen der Ärzte selbstständig geatmet und alsbald aus ihrem Fläschchen getrunken. Nur eine Hüftluxation sei sichtbar gewesen. Daher müsse sie eine Spreizhose tragen. Das scheine ihr aber nicht wehzutun.

Die Kleine habe sich sogar gut entwickelt, erzählen die Eltern. Sie habe sich bewegt und umgedreht, gesummt und gelallt. Dann bekam sie die übliche Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und dergleichen.

Schon am Abend danach bekam Loraine hohes Fieber und einen Tag später ihren ersten epileptischen Anfall. Das habe alles verändert, schluchzt Susanna. Nach jedem Anfall könne sie nichts mehr machen, erleide einen Rückfall, könne sich nicht mehr bewegen und sich nicht mehr äußern. „Nach fünf bis sechs Anfällen pro Tag ist sie extrem müde.“ Doch die Ärzte würden ihr Anfallmuster nicht genau zuordnen können. Anfangs hätten die Medikamente nicht gegriffen.

Doch dann habe Loraine fünf Monate lang keinen Anfall gehabt und sei richtig aufgeblüht. „Sie hat sogar wieder gelacht.“ Sogar eine Hüftoperation habe die mutige Kleine gut überstanden. „Sechs Wochen lang wurden ihre Beine gestreckt und gedehnt“, erinnert sich die Mutter. Das habe geholfen, die Hüfte einzurenken.

Selbständig sitzen kann Loraine nicht, weil ein Füßchen kürzer ist. Im Sitzstuhl jedoch kann sie beim Essen am Tisch mit dabei sein oder mit den Geschwistern spielen.

Am Familienleben teilhaben

Problematisch wird es allerdings, wenn sie über die Stiegen in den Garten getragen werden muss. „Das ist sehr schwer“, sagt die Mutter, die gern einen Reha-Buggy für die Kleine hätte. Später einmal werde Loraine vielleicht im Rollstuhl am Familienleben teilnehmen können, hofft sie. Doch dazu müsse erst die Wohnung barrierefrei gestaltet werden, neue Türen und Rampen seien notwendig, das Bad müsse vergrößert werden.

Kurzfristig braucht Loraine ein neues Pflegebett und einen Badewannenlifter. Das sind große Ausgaben. Neben Physiotherapie möchte Susanna ihrer kleinen Tochter später auch Reittherapie bieten können. „Wir möchten sie intensiv fördern, damit der Entwicklungsrückstand nicht größer wird. Sie soll es so schön und gut haben wie möglich.“ Damit dies gelingt, braucht die mutige Familie so viel Unterstützung wie möglich.

* Name von der Redaktion geändert