Wann haben Sie das letzte Mal einen Marienkäfer gesehen? Einen richtigen österreichischen Qualitätskäfer meine ich, mit sieben Punkten. Die eingeschleusten chinesischen Billig-Marienkäfer haben viel mehr Punkte, sind also besser als unsere. Mehr noch: sie fressen unsere sogar auf.

Eine passende Metapher für die Weltwirtschaft! Was haben wir über die „Schlitzaugen“ früher gelacht, solange sie uns nur die Textilindustrie und die Schuhindustrie weggefressen haben. Heute gibt es kaum einen Industriezweig, den uns die Chinesen nicht gerade wegfressen oder schon weggefressen haben. Wir kaufen das billige Plastikzeug, das bereits bei der Erzeugung Sondermüll ist, wir spielen auf chinesischen Klavieren mit wohlklingenden deutschen Namen, geben chinesischen Knoblauch in den Wok, haben chinesische Solaranlagen auf dem Dach und chinesische Kleider am Leib. Hauptsache billig. Wenn das Klumpert hin ist, schmeißen wir es weg.

Dass wir dadurch auch unsere eigenen Arbeitsplätze wegschmeißen, hat uns die Globalisierung vergessen mitzuteilen. Wir Europäer sind anscheinend zu dumm oder zu feig, unsere eigenen Märkte zu schützen. Wer das Wort „Zoll“ in den Mund nimmt, ist antiliberal und steht wahrscheinlich unter Kommunismus-Verdacht. Apropos: War da nicht was mit Kommunismus in China? Schade, dass Trump so unsympathisch und unglaubwürdig ist, sonst könnte man ihm, was China betrifft, Recht geben. Verwirrend, alles.

Das waren schöne Zeiten damals, als die Welt noch übersichtlich war! Der Westen war gut, der Osten war böse. Heute weiß man nicht, wer böser ist: der russische oder der amerikanische Präsident. Und links versus rechts gilt auch nicht mehr. Nichts ist mehr gewiss. Früher waren die österreichischen Politiker verlässlich lange Jahre im Amt (auch die schwarzen!), sodass man Zeit hatte, sich an ihre Eigenheiten zu gewöhnen. Damals hatten sie nämlich noch welche. Damals wusste man auch noch von allen Regierungsmitgliedern den Namen.

Diesen Luxus gönnen sich heute nur noch Innenpolitik-Redakteure. Ein Schnelltest: wie heißt unsere aktuelle Unterrichtsministerin? - Der Kulturminister? - Der Lebensminister? Oje, null Punkte. Ein Lebensministerium gab es ja seinerzeit auch nicht, denn für das Leben war früher noch jeder selber zuständig. Und für die Frauen der Frauenminister. Der war gelernter Tierarzt.

Solche Kuriositäten sind in Österreich nicht weiter auffällig. Wie wäre es sonst möglich, dass ein- und derselbe Minister, nämlich der besagte Lebensminister, für Landwirtschaft und Umweltschutz zuständig ist, wo man doch weiß, dass moderne Landwirtschaft häufig das Gegenteil von Umweltschutz ist? Das wäre ja so, wie wenn ein Zivildiener Verteidigungsminister - nein, schlechtes Beispiel, das hatten wir schon. Sagen wir, wie wenn einer gleichzeitig Wirtschafts- und Arbeitsminister - halt, das hatten wir auch schon.

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja, wie schön die Zeiten früher waren. In jeder Gemeinde gab es einen Bürgermeister und einen Pfarrer, und die Mädchen liefen in Dirndln über schöne Blumenwiesen. Den Bürgermeister gibt es auch heute noch, aber nur, sofern es seine Gemeinde noch gibt. Die Dirndln werden in China aus Polyester hergestellt. Auf den Blumenwiesen stehen jetzt Apartments. Und Pfarrer betreuen als spirituelle Handelsreisende meist mehrere Gemeinden.

Speziell zu den hohen Feiertagen haben sie einen Terminplan wie ein mittlerer Vorstandsvorsitzender. Auch die ländliche Schule wird gerne durch moderne Bildungscluster ersetzt. Aber so gewöhnt man die Kinder zumindest schon frühzeitig ans Pendlerdasein. Denn Jobs werden sie in ihrem Ort später ohnehin schwer finden. Sie werden dann mit ihrem chinesischen Elektroauto an den Stadtrand fahren und sich im chinesischen Abhol-Elektronik-Center den neuesten chinesischen Flatscreen kaufen.

Damit werden sie sich ihren mindestsicherungsgestützten, etwas eintönigen Tag verschönern. Denn als Arbeitskräfte sind sie uns zu teuer, aber als Konsumenten brauchen wir sie schon noch, sagen die Aktionäre.