Richterin Claudia Bandion-Ortner hat sich am Dienstag bei der Fortsetzung des Großverfahrens gegen acht Beschuldigte in der Causa "EXW" noch einmal den Hauptangeklagten vorgenommen. Dieser beteuerte, dass die Kunden über Risiken aufgeklärt worden seien. "Wir haben überall kommuniziert: Totalverlust ist möglich." Laut Anklage gibt es 40.000 Opfer und 14 Millionen Euro Schaden. "Unsere E-Mails im Gericht laufen über, weil so viele Leute ihr Geld haben wollen", so die Richterin.

Der Schaden könnte weit höher liegen, legen Zeugenaussagen nahe – Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg sprach zu Prozessbeginn von einer "Teilanklage". Der Hauptbeschuldigte, ein 26-jähriger Klagenfurter ohne Schulabschluss, versuchte dem Gericht weiter zu erklären, dass es sich bei dem Firmengeflecht, das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Vehikel für Betrug, Geldwäsche, Pyramidenspiel und kriminelle Vereinigung sieht, um eine ganz normale Unternehmensgruppe gehandelt habe.

Kompliziertes System

Kunden wurde ermöglicht, in Kryptowährungen zu investieren, außerdem in die eigenen "EXW-Token", eine Art interne Kryptowährung, deren Kurs laufend kommuniziert wurde. Seinen aktuellen Kontostand konnte man immer online aufrufen. "Die Boni wurden als täglicher Eingang verbucht. Das war ein vollautomatisiertes System", so der Angeklagte. Und: "Grundsätzlich" sei eine Auszahlung des Betrags immer möglich gewesen. "Und nicht grundsätzlich ...", hakte Bandion-Ortner nach. "Das Unternehmen hat zu bestimmten Zeitpunkten Teile der Token aus Liquiditätsgründen eingefroren." Das sei in den AGBs (Allgemeine Geschäftsbedingungen, Anm.) so vereinbart gewesen. "'EXW' war nicht verpflichtet, Token zurückzukaufen."

Mehrere Einnahmequellen

Neben den Token habe die "EXW-Gruppe" weitere Projekte verfolgt und über andere Einnahmequellen, vor allem diverse Gebühren, die man den Kunden verrechnet habe, verfügt, erklärte der 26-Jährige detailreich der Richterin, die wissen wollte, wie man die hohen Gewinnversprechen eigentlich erfüllen wollte. Er legte auch eine Vereinbarung zu seinem "Exit" bei "EXW" Ende 2020 vor, in der die Firmengruppe die unterschiedlichsten Zahlungen zusichert – etwa für einen Mercedes samt Chauffeur zur Verfügung des heute 26-Jährigen oder an dessen Ex-Freundin und Kind. Ihm sei so suggeriert worden, es sei genug Liquidität vorhanden, so der Hauptangeklagte. Bezahlt wurde schließlich nur teilweise. Eingeklagt habe er ausständige Zahlungen nicht. "Ich war einfach nur froh, das hinter mir zu lassen", sagte er.

Die genannte Ex-Freundin soll als Zeugin im Prozess aussagen. Ihren Angaben zufolge war die ganze Sache von Beginn an – es gab ein Gründungstreffen auf Mallorca – als Betrug geplant, ihr zufolge beläuft sich der Schaden auf 80 bis 100 Millionen Euro. Zu ihren Aussagen wollte der 26-Jährige vorerst nicht viel sagen. "Das werden wir im Zuge ihrer Einvernahme klären."

600 Prozent Kursgewinn

Auf die Fragen der Staatsanwältin hin versuchte der Hauptangeklagte zu erklären, wie die hohen Gewinnversprechen realistisch gewesen hätten sein könnten. Unter anderem verwies der 26-Jährige auf "400 bis 600 Prozent" Kursgewinne, die zeitweise mit Kryptowährungen zu machen gewesen wären. Czedik-Eysenberg ließ sich nicht überzeugen. Warum denn seine Abfindung nicht ausgezahlt wurde, wenn so hohe Gewinne gemacht wurden? "Projekte sind immer vorgegangen. Außerdem gehe ich davon aus, dass zuerst Kunden bedient wurden." Nach der Richterin versuchte auch die Anklägerin zu eruieren, wie die Buchführung der "EXW-Gruppe" aussah. "Sie müssen ja wissen, was sind die Ausgaben, was sind die Einnahmen, kann ich mir das leisten?" Der Angeklagte sagte, es habe eine laufende Buchhaltung gegeben, die dürfte jetzt aber in Dubai sein. Bezahlt wurden etwa Häuser, Wohnungen und Autos für den Angeklagten. In Dubai habe er einmal kurz einen Lamborghini gefahren, sonst auch Mercedes E-Klasse.

Die Befragung des Hauptangeklagten soll nach einer Mittagspause fortgesetzt werden. Der Prozess läuft wohl noch über mehrere Monate.