Kärntner, die an Ophidiophobie, also einer stark ausgeprägten Angststörung vor Schlangen leiden, haben derzeit kein leichtes Los. Denn immer öfter erreichen uns Berichte von Schlangensichtungen in freier Natur und in Gärten, zuletzt am Mittwoch in St. Paul im Lavanttal. Dass es tatsächlich mehr Begegnungen als üblich gibt, bestätigt Helga Happ, Leiterin des Reptilienzoos in Klagenfurt: "Derzeit erreichen mich täglich aufgeregte Anrufe, weil Menschen in ihren Gärten Besuch von einer Schlange bekommen."

Gibt es plötzlich eine wachsende Population von Schlangen, gar eine Schlangenplage in Kärnten? "Nein, österreichweit geht die Schlangenpopulation leider sogar sehr stark zurück. Würde die Population wachsen, würde man auf sehr viele Jungtiere treffen, aber das ist nicht der Fall", sagt Happ. Der Grund für das vermehrte Auftreten liegt also nicht in der Vermehrung, sondern mehr an der Kälte: "Es war ein langer harter Winter bis in den Mai hinein, die Tiere hatten bisher keine Möglichkeit zum Fressen und das muss nun schleunigst aufgeholt werden."

Scheintod über den Winter

Die Reptilien-Expertin erklärt, dass Schlangen den Winter über in einer Starre verbringen. Erst wenn die Temperaturen passen, erwachen sie aus diesem Scheintod, dann beginnt die Paarungszeit und dann müssen dringen die Fettreserven für den kommenden Herbst und Winter aufgestockt werden. Das bedeutet, die Schlangen haben regelrechten Stress, sich jetzt so schnell wie möglich gut zu nähren, damit sie den nächsten Winter überstehen. Und in der Nähe des Menschen finden sie Nahrung.

Mäuse und Ratten am Speiseplan

Sie haben es allerdings nicht auf unsere Lebensmittelvorräte abgesehen, sondern auf Nagetiere, wie Mäuse. Diese wiederum finden bei Menschen Nahrung und halten sich gerne rund um Wohnhäuser und Bauernhöfe auf. Schon ein altes Bauernsprichwort deutete darauf hin, wie Helga Happ weiß: "Is(s)t die Schlange beim Haus, geht der Segen nicht aus." Denn die Bauern kannten die Lieblingsspeise der Reptilien und wussten, dass durch Mäuse und Ratten ihr Getreide verunreinigt wird. Daher freute man sich über den Besuch der Schlange.

Dass man allerdings eine Schlange auf der Jagd trifft, ist ein seltenes Schauspiel. Viel eher werden sie an sonnigen Plätzchen entdeckt. "Die Schlange muss jetzt viel fressen, verdauen kann sie allerdings nur mithilfe der Sonne. Sie ist ein Kaltblüter und braucht direkte Hitze oder die Widerhitze eines Steins oder einer Hausmauer, sonst funktioniert ihr Verdauungsapparat nicht", erklärt Helga Happ.

Helga Happ mit einer ungiftigen Äskulapnatter.
Helga Happ mit einer ungiftigen Äskulapnatter. © KK/Happ

Keine Panik

Doch was tun, wenn einem eine Schlange einen Besuch im Garten abstattet und gerade ihr Verdauungsschläfchen am Treppenabsatz hält? "Am besten gar nichts. Ansehen, sich daran erfreuen und vielleicht ein Foto machen und es uns schicken, damit wir uns auch freuen können. Die Schlange ist auf der Durchreise und wird auch bald wieder verschwinden", beruhigt die Chefin des Reptilienzoos. 80 Prozent aller Schlangen in Kärnten sind ungiftig und für den Menschen völlig ungefährlich. "Anrufen sollten sie mich, wenn die Schlange tiefschwarz ist oder ein dunkles Zickzack-Muster trägt. Dann handelt es sich um eine seltene und giftige Hornviper oder um eine Kreuzotter. Ist sie ganz dunkel, ist es wahrscheinlich eine im Gebirge heimische Höllenotter."

Die Kreuzotter und Höllenotter gehören zu den wenigen und seltenen Giftschlangen in Kärnten.
Die Kreuzotter und Höllenotter gehören zu den wenigen und seltenen Giftschlangen in Kärnten. © KK

Von der Katze gebracht

Die derzeitige Häufung der Begegnungen wird auch bald wieder zurückgehen. Wenn sich die Schlangen bis in den Frühsommer hinein gut angefressen haben, werden sie auch in ihre Sommerlebensräume verschwinden, sich verstecken und man wird sie nicht mehr bemerken. Auch wenn sie vielleicht immer noch im Garten sind. Helga Happ nimmt auch die Angst, dass man jetzt, wie eine Ferlacherin am Sonntag, eine Schlange unterm Wandschrank findet: "Das ist wirklich selten. Eine Schlange geht nicht gerne in Häuser und Wohnungen. Sie kann dort nicht überleben. Wenn, dann hat sie sich gerade an der Haustreppe aufgewärmt, wurde erschreckt und hat versucht, sich schnell zu verstecken." Viel wahrscheinlicher sei es, dass in so einem Fall die Hauskatze ihre Beute zum Herzeigen angeschleppt hat, sagt Happ: "Die Katze ist ein Raubtier und Nager, Echsen und Schlangen gehören zu ihrem Beuteschema. Für einige seltene Echsenarten sind Katzen mittlerweile sogar eine Bedrohung."