Wenige Tage vor Weihnachten: Wie läuft die Arbeit im Büro von Kärntner in Not?
Susanne KOSCHIER: Der Weg zu uns ist immer der gleiche: Es muss ein schriftlicher Antrag samt Unterlagen eingebracht werden, der wird dann bearbeitet. Das Einkommen und die Kontoauszüge werden immer überprüft, den vom Finanzamt auferlegten Richtlinien muss entsprochen werden. Derzeit ist auch die Spenderbetreuung sehr intensiv. Die Zahl der Ansuchen stieg seit November um zirka 50 Prozent. Naheliegend, dass es die Folge von Corona ist.
ALBERT LESJAK: Wir merken, dass sich jetzt Leute an uns wenden, die wir noch nicht kennen. Wobei wir mit rund 50 Prozent ein relativ hohes Potenzial an Stammklientel haben. In Familien mit Notstands-, Mindestsicherungs- und Ausgleichszulagen-Beziehern ist es oft so, dass die nächste Generation mangels Schul- und Ausbildung auch in unseren Klientenkreis kommt.
SUSANNE KOSCHIER: Wir merken stark, wie wichtig Bildung ist und wie viele junge Leute ohne Ausbildung zu uns kommen. Das ist besorgniserregend.

Wie hilft man richtig?
SUSANNE KOSCHIER: Teils damit, dass schnell das finanzielle Loch gestopft wird, damit beispielsweise der Strom wieder eingeschaltet wird. Wir hinterfragen dann aber, warum die Stromrechnung so hoch ist. Es passiert sehr oft, dass Leute Anträge für etwas stellen und dann für etwas anderes Geld bekommen. Wir tun es, um die Situation nachhaltig zu verbessern, finanzieren etwa einen Pelletsofen, um Radiatoren als Stromfresser zu ersetzen. Oder wir empfehlen zwecks niedrigerer Miete einen Wohnungswechsel und zahlen die Kaution, damit der Wechsel möglich wird.

Ihr seid im Austausch mit Landespolitikern, deponiert das, was Ihr an gesellschaftspolitischen Entwicklungen wahrnehmt. Was konntet Ihr bereits anregen?
ALBERT LESJAK: Nach den Sturmschäden und unserer Kommunikation mit Landesrat Daniel Fellner gab es Runde Tische. Die Spenden-Verteilung verschiedener Initiativen und Organisationen wurde in strukturierte Bahnen geleitet.
SUSANNE KOSCHIER: Ganz wichtig auf Landesebene ist die Wohnbeihilfe. Ohne diese Zuschüsse wäre es für viele unmöglich, die Miete zu zahlen. Unsere Empfehlung ans Land war, den Zuschuss direkt an die Vermieter zu zahlen, damit das Geld auch ankommt.

Kärntner in Not ist eine Hilfsorganisation von vielen. Wie funktioniert der Austausch untereinander, um missbräuchliche Doppelunterstützung zu vermeiden?
SUSANNE KOSCHIER: Es gibt den Datenschutz. Doch wenn ein Klient über Empfehlung von Caritas, Arge Sozial oder Hibl (Hilfe für besondere Lebenslagen, Land Kärnten) zu uns kommt und davor eine Erklärung unterschrieben hat, dann können wir uns austauschen.

Über die Jahre gesehen: Was hat sich geändert?
SUSANNE KOSCHIER: Es gibt immer mehr Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Ein-Personen-Unternehmer, Leih-Arbeitskräfte, bei Frauen ist es vor allem die Teilzeitarbeit, zwischendurch Arbeitslosigkeit. Diese Personen steuern auf Mindestpensionen zu, sind viel stärker armutsgefährdet als Personen in Vollzeit-Arbeit.
ALBERT LESJAK: Menschen mit wenig Einkommen sind mit ihren Rechnungen für Miete, Strom, Versicherungen oft am Limit. Eine kaputte Waschmaschine, eine außertourliche Ausgabe wird zum Problem.

Was fehlt?
ALBERT LESJAK: Ich würde mir wünschen, dass es in der Gesellschaft zum Thema wird, wie es einem Mindestsicherungsbezieher, einem Mindestpensionisten im Alltag geht. Diese Leute haben keine Lobby.
SUSANNE KOSCHIER: Wichtig wäre, dass in Schulen etwa in Projektwochen thematisiert wird, wie man im Alltag mit den finanziellen Ressourcen umgeht. Viele gehen viel zu schnell Zahlungsverpflichtungen ein, ohne ihr Konto in der Folge regelmäßig zu kontrollieren. Wenn wir von Schulen Spendengelder erhalten, gehen wir manchmal in die Klassen und reden genau darüber.

Wie geht es einem persönlich, wenn man täglich so nahe an Schicksalen und Nöten ist?
ALBERT LESJAK: Ich denke jetzt an einen alten Mann, der heuer verstorben ist. Er und seine Ehefrau hatten mehrere Schicksalsschläge, Krankheiten, zu bewältigen. Aber es war immer schön, seine Freude zu sehen, wenn wir geholfen haben. Es ist ein Privileg, helfen zu können.
SUSANNE KOSCHIER: Mich beeindruckt, wie Familien ihr Schicksal annehmen und mit einem schwer behinderten Kind zu einem für sie normalen Alltag finden. In meiner Arbeit habe ich erfahren: Wenn man einen Schicksalsschlag annehmen kann, kriegt man die Kraft für den nächsten Schritt. Man öffnet sich. Wer Hilfe sucht, der ist nicht allein.