An welchen Verhaltensmustern erkennen Sie derzeit in Betrieben, dass Krise herrscht?
WERNER MUSSNIG: Ich beobachte in Organisationen, dass sich Leute, die realisieren, dass das Unternehmen in die Krise geschlittert ist, tendenziell an bewährten Verhaltensmustern festklammern. In aller Regel wird noch stärker hineingearbeitet. Es wird noch mehr gepowert. Über die vorhandenen Ängste wird im Management nicht allzu gerne gesprochen wird. Manager sehen sich als toughe Berufsgruppe, die viel Kontrolle über die Situation hat. Den Ängsten, die kaum angesprochen werden, begegnen sie mit erhöhtem Einsatz.

Wie sonst gehen Manager und Unternehmer mit dem massiven Druck der Krise um?
MUSSNIG: Für manche ist das Wort Krise tabu und die Situation wird negiert. Die Leute ziehen sich ins Büro zurück, arbeiten härter und es wird eher weniger kommuniziert.

Äußerst sich da nicht eine große Verdrängung?
MUSSNIG: Ja, die Krise wird gerne verdrängt und sie wird auch häufig externalisiert. Es wird dann eher über die Probleme der Konkurrenten und der Wirtschaft im Allgemeinen gesprochen, und von eigenen Themen abgelenkt.

Nutzen aber nicht viele das Schlagwort der Krise als Ausrede für Probleme, die sowieso im Unternehmen vorhanden sind?
MUSSNIG: Ja, das passiert laufend. Eine Krise tritt nie plötzlich ein. Eine Krise frisst sich langsam in ein System hinein. Wenn mehrere Faktoren zusammenkommen, bricht sie dann aus. Wächst der Druck von außen, sind Unternehmen, denen es schon vorher schlecht ging, stark insolvenzgefährdet. Das wird dann der Krise zugeschrieben, aber die Ursachen liegen weit zurück.

Wie real ist die Krise aus Ihrer Wahrnehmung?
MUSSNIG: Ich habe in der letzten Zeit für Kunden so viele Unternehmen gekauft wie noch nie. Da ist in manchen Branchen schon eine massive Strukturbereinigung im Gange.

Es gibt das Schlagwort, dass jede Krise auch eine Chance ist. Wie muss man sich darauf einstellen, damit man sie nützt?
MUSSNIG: Die Krise ist nur für spezifische Fälle eine Chance. Unternehmen, die jetzt liquide und gut aufgestellt sind, kaufen nun günstig Unternehmen ein. Wer in der Krise etwas verändern will, muss zunächst das Rad zum Stehen bringen. Nicht weitermachen, sondern unterbrechen ist eine wesentliche Voraussetzung für Veränderung. Man muss sich der eigenen Identität und der wirklichen Ziele bewusst werden. Air-Race-Weltmeister Hannes Arch hat einmal gesagt: "Für meine Entwicklung war es wichtig, dass ich ab und zu auch ganz unten war. Niemand rief mich an, da hab ich klaren Kopf bekommen." Man muss der Krise den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Wenn es einen lähmt, ist es kontraproduktiv. Die nächste Krise kommt bestimmt. Die Frage ist, wie bin ich vorbereitet?

Optimismus - ist das eine schöne Trughaltung oder wirkt es?
MUSSNIG: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Nur Zweckoptimismus funktioniert nicht wirklich. Es ist aber eine alte Weisheit, dass das, was draußen in der Umwelt geschieht, im Wesentlichen ein Spiegel unseres Denkens ist. Wenn ich in Problemen denke, ziehe ich Probleme an. Wenn ich mich auf Ziele orientiere, erreiche ich sie jedenfalls leichter.

Wie gehen Sie selbst mit der Krise um?
MUSSNIG: Auch für mich ist es eine Zäsur. Ich habe als Berater so viel Arbeit wie noch nie, aber leider auch viel weniger Zeit.