"Die Weltwirtschaft befindet sich noch immer in ihrer größten Krise seit 1929. Wir nähern uns der Talsohle. Von den weltweiten Konjunkturprogrammen in Höhe von 2000 Milliarden Euro erwartet sich Siemens ab 2010 Aufträge in Höhe von 15 Milliarden Euro, davon sechs Milliarden für grüne Infrastrukturprojekte", erklärte Siemens-Konzernchef Peter Löscher gestern bei einer Telefon-Pressekonferenz. Im Anschluss daran stand er exklusiv der Kleinen Zeitung Rede und Antwort. Welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie von der Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen, von der neben den Konjunkturpaketen das mögliche Marktpotenzial für grüne Technologien erheblich abhängen kann?
PETER LÖSCHER: Wir sind davon überzeugt: Die aktuelle Wirtschaftskrise wird sich im Rückblick als Katalysator für eine ökologische Revolution erweisen. Diese Revolution wird nicht nur der Umwelt sondern auch der Wirtschaft zugute kommen. Dies ist die Herausforderung für die Klimakonferenz in Kopenhagen Ende des Jahres. Allen Verantwortlichen ist klar, dass Erderwärmung und Klimawandel nur durch effektives Regelwerk, das alle Emittenten einbindet, gebremst werden können. Das Regelwerk muss eine Kombination aus kurzfristigen Anreizen und mittel- bis langfristigen Zielen enthalten. Nur ein global verbindlicher Rahmen wird ein faires Wettbewerbsumfeld schaffen können. Die Reduktion der Emissionen wird eine unvergleichliche Herausforderung, aber sie bietet auch einzigartige Chancen für nachhaltiges Wachstum, das zu einem Triple-Win für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft werden kann. Die Industrie ist bereit für diesen Wandel und unterstützt ambitionierte politische Entscheidungen. Wir sind es künftigen Generationen schuldig zusammenzuarbeiten. Jetzt ist der Zeitpunkt für eine langfristige Basis zu schaffen. Wir sind bereit, mit den Regierungen zusammenzuarbeiten!

Können Sie sich beim Projekt Desertec - Wüstenstrom aus Sonnenenergie für ganz Europa - auch eine österreichische Beteiligung vorstellen? Österreich ist in der Solartechnologie mit führend, so ist zum Beispiel in ihrer Heimat mit GreeOneTech der Technologie- und Weltmarktführer bei Flachsonnenkollektoren angesiedelt.
LÖSCHER: Bahnbrechende Projekte und Pionierleistungen des Ingenieurwesens waren immer typisch für Siemens. Wir waren es, die 1855 das erste Mammutprojekt in der Geschichte der Nachrichtentechnik realisiert haben: Die Telegraphenlinie von Finnland bis auf die Krim. Wir waren es, die 1874 den amerikanischen mit dem europäischen Kontinent über das Transatlantikkabel verbunden haben. Und wir sind es, die heute eine der längsten und effizientesten Stromautobahnen in China realisieren. Zukünftig Strom in Solarkraftwerken in der Wüste zu erzeugen und mit ultraeffizienten Verbindungen nach Europa zu übertragen, das ist sozusagen genau unsere "Kragenweite". Solarthermische Kraftwerke werden einen Boom erleben, der derzeit noch schwer abschätzbar ist. Siemens ist bereits Marktführer bei Dampfturbinen für solarthermische Kraftwerke. Mit der Beteiligung an der italienischen Archimede Solar verfügt Siemens über eine weitere Schlüsselkomponente zum Bau von Solarkraftwerken. Außerdem ist Siemens führend auf dem Gebiet der energieeffizienten Stromautobahnen, die notwendig sind, um den Strom verlustarm über weite Strecken in die Verbrauchszentren Europas zu transportieren. Das Projekt "Desertec" ist sicherlich allein von der Größenordnung europäisch angelegt. Somit ist selbstverständlich auch eine Beteiligung österreichischer Unternehmen denkbar. Das Konsortium bildet sich ja gerade erst.