In Deutschland sollen ab dem kommenden Jahr Schwerkranke, denen andere Therapien nicht helfen, getrocknete Cannabisblüten und -extrakt auf Rezept erhalten. So sieht es ein von der deutschen Bundesregierung bereits abgesegneter Gesetzesentwurf vor. In Österreich gebe es dafür keinen Bedarf, sagt der  Schmerzspezialist Rudolf Likar.

"Wir brauchen keine Legalisierung von Haschisch oder Marihuana", sagte Likar, Generalsekretär der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) und Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt. "Uns stehen bereits jetzt wirksame  Cannabinoid-Medikamente zur Verfügung, deren Wirksamkeit in einigen Indikationen gut belegt ist."

Etwas anders sieht das der Grazer Schmerzspezialist Andreas Sandner-Kiesling (MedUni Graz), wie er in einem Gespräch mit der Kleinen Zeitung vor einiger Zeit zu diesem Thema erklärte: Es gebe bei Cannabis leider die Tendenz, dass es falsch verwendet wird, daher brauche es klare Richtlinien für die Verschreibung. Aber: Prinzipiell sei es ein guter Schritt, die ganze Pflanze zu verordnen, sagte er. Mit synthetischem THC, wie es in Österreich verwendet wird, bekomme man nur einen Bruchteil davon, was die Pflanze kann.

"Das sind alles Produkte, die ihre Wirksamkeit und arzneimitteltechnische Sicherheit bereits bewiesen haben", sagte Likar. Beim Konsum der Pflanze ließen sich dagegen Probleme wie mikrobielle und chemische Verunreinigungen nicht ausschließen. Zudem würde der "Joint auf Rezept" keine genaue Dosierung der medizinisch wirksamen Komponenten erlauben und sei mit den gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchens verbunden.

Breite Anwendung

Wurden THC-haltige Arzneimittel bis vor wenigen Jahren vor allem bei Tumor- und HIV-Patienten eingesetzt, belegen inzwischen immer mehr Daten wesentlich breitere Anwendungsmöglichkeiten: bei neuropathischen Schmerzen, Multipler Sklerose, beim Querschnittssyndrom oder anderen spastischen Schmerzen.

Darüber hinaus gibt es vielversprechende Hinweise auf ein Potenzial in der Behandlung verschiedener chronisch-entzündlicher Erkrankungen, wie Rheumatoider Arthritis oder chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen.

Für Schmerzspezialist Sandner-Kiesling sei es zentral, dass es klare Richtlinien dafür gibt, bei welchen Patienten Cannabis eingesetzt wird. "Ich heiße Cannabis gut, wenn es eine gute Begründung für die Verschreibung gibt und davor alle anderen möglichen Therapien ausgeschöpft wurden", sagt der Experte. Cannabis müsse damit ein Medikament der letzten Wahl bleiben.

Fünf Milliarden Euro

Fünf Milliarden Euro, etwa die Summe welche die aktuelle Steuerreform ausmacht, werden in Österreich pro Jahr für die Behandlung von schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates ausgegeben. "Ein Großteil der Therapiekosten könnte eingespart werden, wenn wir ausreichend in Prävention und eine frühzeitige Behandlung von Schmerzen investieren, bevor diese chronifizieren und damit zur individuellen und volkswirtschaftlichen Last werden", betonte ÖSG-Präsident Wolfgang Jaksch (Wiener Wilhelminenspital).

Einsparungen auf diesem Gebiet werden volkswirtschaftlich "teuer". Likar sagte: "Die Behandlungskosten machen allerdings nur ein Drittel der Gesamtkosten aus, die indirekten Folgekosten für Krankenstände, Frühpensionen und erhebliche Produktivitätsverluste liegen noch einmal doppelt so hoch. Patienten mit starken chronischen Schmerzen haben ein sechsmal höheres Krankenstands-Risiko. Inzwischen sind dadurch bereits die Hälfte aller Krankenstandstage bedingt."

In Summe bedeute das einen Verlust von 660.000 Arbeitstagen pro Jahr in Österreich.