Die vermutlich auch dem Klimawandel geschuldete Odyssee begann für A-68 ("A" für Antarktis, "68" für den Quadranten seiner Entdeckung), als sich der Eisbergim Juli 2017 vom Larsen-Schelfeis an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel löste.

Der Koloss hatte mit seiner damaligen Länge von 175 Kilometern, einer Breite von 50 Kilometern und einer Dicke von 200 Metern laut Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) zunächst eine geschätzte Masse von etwa einer Billion Tonnen. 2017 war er noch sieben Mal so groß wie Berlin, im November 2020 brachte er es noch auf 3500 km². Jetzt bricht der derzeit weltgrößte Tafeleisberg im Südatlantik weiter auseinander – Forscher verfolgen seine wechselhafte Route gespannt.

Seit genau einem Jahr bewegt sich A-68 in etwa nördlicher Richtung in die offene See des Südlichen Ozeans. Begleitet wird sein unweigerlich letzter Weg von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA – er wird fortlaufend auf Sentinel-1-Satellitenbildern geortet. Ende 2020 steuerte er auf das britische Überseeterritorium Südgeorgien 1400 Kilometer östlich von Argentinien zu – und drohte durch das kalte Süßwasser seiner schmelzenden Eismasse zur Gefahr für das sensible Ökosystem zu werden.

A-68a und seine Bruchstücke südlich von Südgeorgien
A-68a und seine Bruchstücke südlich von Südgeorgien © ESA/Pierre Markuse



Dann änderte er seinen Kurs und verlor Eisbrocken – es ist unklar, wohin er genau treibt. Jetzt bestätigte die ESA weitere große Risse in dem Eisberg, er zerfiel inzwischen in 13 Fragmente: "Der Haupteisberg A-68a (so heißt der Koloss, seitdem er Teile verliert, genau genommen, seine Abspaltungen etwa A-68b oder A-68c, Anmerkung) scheint sich nach Süden zu bewegen und befindet sich derzeit etwa 225 Kilometer von Südgeorgien entfernt", heißt es. Das bedeutet eine vorläufige Entwarnung für Abermillionen Pinguine und Robben, die durch ein Ansetzen von A-68 an der Inselgruppe ihre Jagdgründe verlieren würden.

A-68a und einige seiner Bruchstücke
A-68a und einige seiner Bruchstücke © ESA



A-68 ist mit seiner aktuellen Länge von 60 Kilometern schon um fast zwei Drittel geschrumpft. Schlecht bestellt ist es auch um seinen Herkunftsort: Bis in die späten 1980er- Jahre reichte das Larsen-Schelfeis über mehr als zehn Breitengrade und hatte eine Größe von 103.400 km². Doch "Larsen A" löste sich im Januar 1995 auf, "Larsen B" gut sieben Jahre später. "Larsen C" droht dasselbe Ende: Schon durch das Wegbrechen von A-68 verlor er 2017 zwölf Prozent seiner Fläche.

Das restlose Abschmelzen der Antarktischen Halbinsel, auf der Larsen C liegt, brächte – zumindest theoretisch – einen globalen Anstieg des Meeresspiegels von bis zu 20 Zentimetern und weitreichende Folgen. Wortwörtlich bloß die Spitze des Eisberges: Würde all das gefrorene Wasser in der Antarktis schmelzen, stiege der Meeresspiegel um 58 Meter.