Zwischen dem Vorabend von Allerheiligen bis Allerseelen feiert ganz Mexiko. Über dem von der UNESCO auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit geführte Brauchtum schwebt dieses Jahr aber das Damoklesschwert mit der Aufschrift "Coronavirus", das auch im lateinamerikanischen Land schon so viel Leid angerichtet hat. Mexiko rangiert auf der traurigen Liste der am schwersten betroffenen Länder bezogen auf die Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 auf Rang vier. Laut Statista starben insgesamt 91.895 Mexikaner am und mit dem neuartigen Virus. Die Behörden sind in Alarmbereitschaft, der symbolträchtigste Feiertrag im Jahr wird von Einschränkungen des Zusammenlebens begleitet.

Beim "Día de Muertos", der seinen Ursprung in der vorspanischen Zeit hat, vermischen sich indigene mit katholischen Traditionen. Heraus kommen multikulturelle Elemente, die seither von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Verwandten bereiten den Toten, die nach der Tradition für einige Stunden in die Welt der Lebenden zurückkehren, einen kulinarischen Empfang: Speisen, Getränke, Zigaretten, Süßigkeiten - je nachdem, was dem Toten gefiel. Nach dem Fest haben die Opfergaben keinen Geschmack mehr, weil sich der Verstorbene bereits daran erfreut hat und ihre "Essenz" genommen hat.

Tag der (Corona-)Toten

Viele Familien verbringen die Nacht von 01. auf 02. November in der Regel am Friedhof, um die Toten zu empfangen. Das verhinderten dieses Jahr Polizeisperren an den Eingängen: In Mexiko Stadt und angrenzenden Bundesstaaten schlossen die Friedhöfe aus Angst vor Ansteckungen infolge von Überfüllung. Die Mexikaner trotzten aber den Einschränkungen, indem sie in ihren Häusern Altäre errichteten und mit ihrem innersten Kreis feierten. Die wirtschaftlichen Folgen sind aber immens: Die "National Alliance for Small Businesses" (ANPEC) schätzt, dass aufgrund der Absage der Feierleichkeiten rund 70 Prozent des Umsatzes in den Märkten für Brot, Blumen, Kunsthandwerk, etc. weggebrochen ist. Auf die Frage, ob das Fest unter diesen Umständen so fröhlich wie immer begangen wird, antwortet eine mexikanische Studentin: "Ich denke wir Mexikaner wissen, wie man trotz der Situation in der wir heute leben, glücklich sein kann."

Am Tag der Toten 2020 gedachte man in vielen Haushalten auch den Familienmitgliedern, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind. Im Gedenken speziell an die Opfer der Pandemie, weht die mexikanische Flagge zurzeit auf Halbmast - Präsident Andrés Manuel López Obrador rief per Dekret eine dreitägige Staatstrauer aus. Der Präsident ist seit Ende 2018 im Amt und mittlerweile höchst umstritten: Schon früh in der Pandemie verbreitete er Fehlinformationen und hielt die Bevölkerung davon ab, die Lage ernst zu nehmen. López Obrador trägt keine Maske, ist insgesamt ein schlechtes Beispiel für die Bevölkerung.Warum Mexiko derart viele Todesopfer beklagen muss, hat mehrere Gründe. Der Kampf zwischen staatlichen und föderalen Behörden führte zu mangelnder Durchsetzungskraft von Bußgeldern bei Vergehen und zu verfrühten Lockerungen der Maßnahmen. Das öffentliche Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, um in einem Krankenhaus aufgenommen zu werden, muss man bereits in einem sehr kritischen Zustand sein. "Die Menschen gestehen sich nicht ein, dass sie krank sind", sagt etwa ein Universitätsprofessor aus dem Bundesstaat Jalisco. Privatkliniken könne sich die Mehrheit nicht leisten, viele Menschen würden beim Versuch, die Behandlung zu bezahlen, bankrott gehen. "Nicht selten verstirbt dann der Patient."

Die Bevölkerung erhebt außerdem schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten, nur die Wenigsten glauben den offiziellen Zahlen. Hier glaubt man, die Regierung hätte den staatlichen Krankenhäusern insgeheim angewiesen als Todesursache "atypische Lungenentzündung" o. Ä. auszuführen, um die Zahlen zu senken. Dem Präsidenten und López-Gatell Ramírez, der für das Management der Pandemie verantwortlich ist, gehe es nicht darum den Menschen zu helfen, sondern nur darum, die Regierungsausgaben zu minimieren.

Mexiko als Stakeholder der US-Wahl

"Wenn Amerika niest, fängt sich Mexiko eine Grippe ein", lautet ein mexikanisches Sprichwort. Trotz der vielen Probleme innerhalb der eigenen Landesgrenzen, ist die Präsidentschaftswahl der USA auch ein großes Thema beim südlichen Nachbarn, denn die beiden Länder sind in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten eng miteinander verbunden. Viele hoffen nun, dass Trump die Wahl verlieren wird. Ein Anwalt aus der zweitgrößten Stadt Mexiko's, Guadalajara, sagt: "Selbstverständlich machen wir uns Sorgen, aber nicht so sehr, als dass es hier Anti-Trump Bewegungen gibt. Wir haben in unserem Land derzeit genug eigene Probleme, als dass wir uns jetzt zu viele Sorgen um die Amerikaner machen."