Die Grundidee ist eine durchaus löbliche: Gillette, 1901 als The Gillette Company in den USA gegründet und 2005 von Procter und Gamble übernommen, will nicht nur für glatte Männergesichter oder kunstvoll getrimmte Bärte sorgen, sondern auch den Begriff der Männlichkeit insgesamt hinterfragen. Der Tenor des neuen 108-Sekunden-Spots des Unternehmens: Nicht wenige Männer stellen sich selbst aus, männlich zu sein, sind dabei aber eher primitiv. Sie könnten und sollten ganz andere Attribute ihrer Persönlichkeit betonen und kultivieren, um vollwertig zu werden. Eine veritable Provokation eines Herren-Badezimmerschrank-Ausstatters.

Das Beste im Mann - was ist es?

Zwölf Millionen Aufrufe verzeichnet der Spot "We Believe: The Best Men Can Be" derzeit bereits. Rund 288.000 Likes stehen jedoch gut 680.000 nach unten gerichtete Daumen gegenüber. Die Geisteshaltung, die der Spot attackiert: Macho zu sein ist noch immer in Ordnung, vielleicht sogar mehr denn je. Doch aggressive Männlichkeit sei das Gegenteil davon, ein ganzer Mann in all seinen gebotenen Facetten zu sein. Es kann auch bedeuten, ein Mann zu sein, wenn man etwa gemobbten Buben zu Hilfe kommt oder Geschlechtsgenossen zur Rede stellt, wenn diese Frauen sexuell belästigen (und das auch noch gut finden).

Mit "Is this the best a man can get?" (zu Deutsch: "Ist dies wirklich das Beste, was ein Mann sein kann?") stellte Gillette eine Frage in den Raum, die viele empörte Reaktionen des angesprochenen Geschlechts hervorrief: Ein Stich in ein Wespennest. Als Umkehrschluss könnte dies der PR-Abteilung von Gillette womöglich sagen: Wir lagen offenbar goldrichtig mit unserem Ansatz: Immerhin gibt es in den USA derzeit einen Präsidenten, der unter anderem auch für primitive frauenfeindliche Bemerkungen bekannt wurde, die eines Staatsoberhauptes/Mannes alles andere als würdig sind.

Zwei Lager haben sich formiert

In den Social-Media-Kommentarflächen bildeten sich in Windeseile zwei Lager: Die einen (bevorzugte Hashtags: #BoycottGillette oder #GrowABeard) poltern wüst, sie würden "nie wieder Gillette-Produkte kaufen" (das schreibt etwa ein Twitter-User mit dem bezeichnend geistreichen Namen "Schnaps-Furzer"). Oder "Ihr müsst die wütende Frau feuern, die diese Kampagne zusammenstellte!" Andere Männer fragen sich und andere hingegen: "Wie ist es um eure Männlichkeit bestellt, wenn ihr euch schon durch eine Werbung angegriffen fühlt?"

Dass ein Unternehmen in Zeichen der #MeToo-Bewegung ein heißes Thema aufgreift, wohl wissend, dass es damit die eigene Kundschaft vor den Kopf stoßen könnte, ist bemerkenswert. Gillette bleibt offenbar weiter bei seiner Linie und kündigte bereits an, über drei Jahren jeweils eine Million Dollar an NGOs in den USA zu spenden, die Männer inspirieren, ihnen Bildung vermitteln und dabei helfen, "ihr Bestes" zu erreichen und zu Männer-Modellen für die nächste Generation zu werden. Das wiederum klingt freilich auch ein wenig nach Produktwerbung.

Etwaige Boykott-Drohungen haben sich bislang jedenfalls nicht auf den Börsenkurs niedergeschlagen.