Er thront über uns, ist seit frühesten Menschheitstagen geheimnisumwittert, ein Quell der Mythenbildung - und seit vielen Jahrzehnten beschäftigt sich auch die Forschung intensiv mit der Oberfläche unseres Mondes. Mehrere Nationen zieht es in den kommenden Jahren zum Erdtrabanten. Ein Areal, über das man bislang vergleichsweise wenig wusste: seine erdferne Seite.

Premiere am Mond

Ein weißer, dunkler Fleck, der indes seit gestern keiner mehr ist: China ist nach eigenen Angaben die erste Landung einer Sonde auf der erdabgewandten Seite unseres Mondes gelungen. Eine "ungemein präzise" Landung sei es gewesen, jubelte Sun Zezhou, Chefingenieur der "Chang'e 4"-Mission, stellvertretend für seine noch junge Weltraumnation. Die Konstruktion habe an einem "idealen Ort" aufgesetzt, "genau im Herzen" der vorgesehenen Zone am Von-Kármán-Krater im Aitken-Becken im Bereich des Südpols. Die nur bei Neumond voll beleuchtete "dunkle Seite" des Erdtrabanten wurde in das Rampenlicht gerückt - dass das Areal wild zerklüftet ist, machte diese Landung anspruchsvoll.

Die Arbeit für den Lander und den 140 Kilogramm schweren Rover "Jade-Hase 2" (Yutu 2),der Teil seines Marschgepäcks war, ging nun erst richtig los: Die Landeeinheit soll das unberührte Terrain erforschen und geophysikalische Experimente vornehmen. Gemessen werden unter anderem Temperaturen, ein Niederfrequenzspektrometer soll Sonneneruptionen erforschen. Zudem wurde ein Behälter mit Pflanzensamen und Insekteneiern auf die große Reise mitgenommen, um zu erkunden, ob Pflanzen und Tiere schlüpfen und gemeinsam wachsen können. Gelingen die Experimente, werden voll automatisiert die ersten Mond-Erdäpfel kultiviert – eine Ernte, die freilich niemand kosten kann. Keine einfachen Operationsbedingungen: In Mondnächten, die 14 Erdtagen entsprechen, wird es bis zu minus 173 Grad Celsius kalt. An Mondtagen - ebenfalls 14 Tage lang - klettert das Thermometer dafür auf bis zu 127 Plus-Grade.

Der Rover "Jadehase 2" machte sich auf seinen Weg
Der Rover "Jadehase 2" machte sich auf seinen Weg © (c) AP

Ein wichtige Frage, die sich stellt: Wie werden die Daten aus einem Bereich, in dem es keine Funkverbindung gibt, an die Erde übermittelt? Indirekte Weiterleitung! Im Mai wurde Satellit "Queqiao" in einen Mondorbit geschickt, er soll die Kommunikation zwischen Erde und "Chang'e 4" aufrechterhalten. Michael Collins, US-Astronaut im Rahmen der Apollo-11-Mission 1969, hatte diese Möglichkeit nicht. Er war das isolierteste Menschenindividuum, als er in der Kommandokapsel "Columbia" in Warteschleifen um den Mond flog und auf dessen Rückseite im Funkschatten blieb, während Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit dem "Eagle" landeten.

Gernot Grömer, Astrophysiker und Direktor des Österreichischen Weltraumforums, schätzt die Bedeutung der erdabgewandten Mondhälfte  eher nüchtern ein: "Aus planetologischer Sicht sind dort keine bahnbrechenden neuen Resultate zu erwarten, doch die Erkenntnisse tragen zur Vervollständigung unseres Bildes des Erdtrabanten bei. Die abwandte Seite ist vor allem raumfahrttechnisch interessant, weil sie etwa Funksignale von der Erde abschirmt und daher etwa für die Radioastronomie interessant ist,umauf Frequenzbändern Wissenschaft zu betreiben, die auf und um die Erde mit menschgemachten Signalen verrauscht sind." Bilder von der "dunklen Seite" gibt es immerhin schon seit 1959: Damals erkundete die sowjetische Sonde "Lunik 3" den Bereich und lieferte grobkörnige Aufnahmen.

Eine der ersten chinesischen Aufnahmen von der "dunklen Seite"
Eine der ersten chinesischen Aufnahmen von der "dunklen Seite" © (c) APA/AFP/China National Space Administrat/HANDOUT (HANDOUT)

Ein neuer Wettlauf

Chinas Pläne, im All Fuß zu fassen, fliegen höher denn je: "Wir bauen China zu einer Luft- und Raumfahrtmacht aus", verkündete Missionsleiter Zezhou. Eine Rakete vom Typ "Langer Marsch" war am 7. Dezember mit "Chang'e 4" vom Weltraumbahnhof Xichang im Südwesten Chinas gestartet. Erste Fühler hatte man 2013 ausgestreckt, als man die Mission "Chang'e 3" samt Rover "Jade-Hase 1" zum Mond schickte. Bis 2021 will Peking wiederverwertbare Trägerraketen entwickeln, deren Frachtvermögen jenes von Nasa- und SpaceX-Konstruktionen übertreffen soll. Von einem Mondstützpunkt und einer bemannten Raumstation ist die Rede. Sogar ein Mars-Fahrzeug ist geplant. Auch militärisch will man im All präsent sein, dem US-Präsidenten Donald Trump, der ja eine "Space Force" aufbauen will, entgegenhalten.

Am Ende gilt es noch, den Begriff der "dunklen Seite" mit Hilfe von "The Dark Side of the Moon", dem zeitlos brillanten Konzeptalbum der britischen Rockgruppe Pink Floyd von 1973, zu schärfen: In den letzten Sekunden dieses Werkes über menschliche Sehnsucht, Zwänge und Wahnsinn ist zu hören: "Es gibt keine dunkle Seite des Mondes. In Wirklichkeit ist dort alles dunkel. Das Einzige, was ihn erleuchtet aussehen lässt, ist die Sonne." So ist es.