Der Wechsel der brasilianischen Präsidentschaft vom rechtspopulistischen Ex-Hauptmann Jair Bolsonaro zum Gewerkschaftsführer Lula da Silva brachte auch eine drastische und blitzartige Kurskorrektur der Lula-Regierung in Sachen Klimapolitik mit sich.

Gefeuerter Klimaforscher fulminant zurück

Sinnbildlich hierfür steht wohl das Schicksal des brasilianischen Klimaforschers Ricardo Galvão: 2019 wurde er nach der Veröffentlichung von Daten zum Anstieg der Abholzung des Regenwaldes (Präsident Bolsonaro sprach von "Lügen") aus der Führung des nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) geworfen. Lula macht ihn jetzt zum Direktor des Wissenschaftsrats – dem Organ, das nationale Forschungsmittel vergibt. "In der letzten Regierung wurden 90 Prozent unserer Projekte abgewiesen und viele laufende Projekte eingestellt", so Marta Llopart, Klimaforscherin an der Universität São Paulo. "Die Neubesetzung gibt Hoffnung."



Nicht nur die Forschung wird aufgepäppelt: So soll eine nationale Behörde für Klimasicherheit geschaffen werden, die als Schnittstelle zwischen Regierung, Wissenschaft und Gesellschaft dienen und die Einhaltung nationaler und internationaler Abkommen überwachen soll. Darüber hinaus soll die Behörde verhindern, dass neue Regierungen Klimagesetze und Initiativen ihrer Vorgänger zu leicht außer Kraft setzen können. "Wir können es uns nicht leisten, mit jeder neuen Regierung bei null anzufangen. Es braucht Kontinuität im Klimaschutz. Am besten wäre eine Klimaschutzverfassung", so Jose Marengo, Forscher am nationalen Zentrum für Naturkatastrophenüberwachung (CEMADEN), der in der Neugründung einen Meilenstein sieht.

2022 war für Brasilien nicht nur ein weiteres Rekordjahr im Anstieg der Regenwaldabholzung, sondern auch von wetterbedingten Katastrophen: Regenbedingte Murenabgänge und Fluten forderten landesweit mehr als tausend Tote, und zerstörten Lebensgrundlagen von Tausenden Familien. Rekord-Waldbrände im Amazonas beschnitten den Lebensraum von indigenen Bevölkerungen, töteten Massen an Wildtier und Vieh, und erstickten Städte in Asche und Rauch.



"Es wäre unseriös zu behaupten, dass jedes einzelne katastrophale Ereignis eine direkte Folge des Klimawandels wäre", warnt Marengo. "Es ist wichtig, hier wissenschaftlich zu bleiben, um zu verhindern, dass der Klima-Diskurs von Fake News, egal aus welcher Richtung, eingenommen wird. Tatsache ist aber: Durch den Klimawandel wurden extreme Wetterphänomene und wetterbedingte Katastrophen häufiger. Sie werden noch häufiger, wenn wir nichts tun." Um damit umzugehen, ist nicht nur Klimaschutz gefragt. "Wir sind an dem Punkt angelangt, wo Emissionsbegrenzung nicht mehr genug ist. Wir müssen uns als Gesellschaft anpassen", fordert Marengo: Muren und Fluten treffen arme Menschen in "Favelas", wo schlechte Infrastruktur und mangelndes Risikobewusstsein in Tragödien enden.

Arme sind besonders betroffen

"In armen Gegenden wird auf Warnungen nicht schnell genug reagiert – weil man staatlichen Institutionen nicht glaubt oder weil es keine Orte gibt, wohin man flüchten kann." Teil der Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist auch die Bekämpfung von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Waldbrände und Dürren hingegen betreffen vor allem Brasiliens traditionell konservative und klimawandelskeptische Viehzüchter und Bauern.

Ein Lichtblick ist immerhin die Neugründung des Ministeriums für indigene Völker – jene Bevölkerungsschicht, die der Giftcocktail aus Rodung und Klimawandel besonders massiv trifft. "Glück im Unglück ist, dass klimainduzierte Katastrophen im Endeffekt sehr demokratisch sind", so Marengo. "Der Klimawandel betrifft alle, wir müssen alle zusammenarbeiten." Die Zeichen stehen auf Hoffnung.