Wieder liegt ein neuer Report des Weltklimarats vor, wieder ist von einem "Weckruf" die Rede. Was wissen wir denn heute, was wir vor wenigen Jahren nicht wussten?
BIRGIT BEDNAR-FRIEDL: Wir wissen heute genauer, welche auftretenden Schäden dem Klimawandel zugeschrieben werden können. Weiters ist festzustellen, dass die Risiken früher zum Tragen kommen, als man das bisher angenommen hat. Außerdem hat es in den vergangenen Jahren sehr viel konkrete Forschung zu den Fragen der Anpassung an die Veränderungen gegeben. Wir können besser beurteilen, welche Maßnahmen effektiv wirken, wie Städte oder die Landwirtschaft reagieren können. Der neue Bericht kann also eine gute Entscheidungsgrundlage sein.

Wir passen uns an und benötigen dadurch nicht mehr so starken Klimaschutz?
Nein, denn inzwischen weiß die Forschung auch recht gut, wo die Grenzen der Anpassung liegen. Viele Anpassungsmaßnahmen sind etwa von der Wasser- und Landverfügbarkeit abhängig, etwa wenn es um künstliche Bewässerungen geht. Je wärmer es wird, desto weniger davon steht noch zur Verfügung und desto weniger Maßnahmen bleiben, die noch wirken können.

Sie beschäftigen sich mit den Folgen für Europa. Worauf müssen wir uns hier einstellen?
Die Verteilung der Risiken in Europa ist sehr unterschiedlich. Insgesamt gibt es vier Hauptrisiken. Einerseits ist das die steigende Hitze, die sich auf die menschliche Gesundheit und auf die Ökosysteme auswirkt. Bei einer globalen Erwärmung um drei Grad ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Todesfälle und der Menschen mit Hitzestress in Europa um das Zwei- bis Dreifache höher liegt als bei einer Erwärmung von nur 1,5 Grad. Der geeignete Lebensraum für Ökosysteme wird geringer, die Zusammensetzung wird sich irreversibel ändern. Die waldbrandgefährdeten Gebiete dehnen sich flächenmäßig weit aus. Zum Zweiten wird es für die meisten europäischen Gebiete erhebliche landwirtschaftliche Produktionsverluste geben. Weitere Risiken sind Wasserknappheit und Überschwemmungen.

Könnte in der Landwirtschaft nicht der Norden Europas im Gegenzug profitieren.
Bei einer Erwärmung von unter 1,5 Grad gibt es noch solche positiven Effekte, doch wenn es darüber hinaus geht, überwiegen die negativen Folgen fast überall. Besonders betroffen sind Sorten wie der Mais. Bei drei Grad mehr erwarten wir hier Einbußen von bis zu 50 Prozent. Künstliche Bewässerungen stoßen dann ebenfalls an ihre Grenzen, weil immer mehr Gebiete unter steigender Wasserknappheit leiden.

Welche Gebiete sind von Wasserknappheit hauptbetroffen?
In Südeuropa wird bei zwei Grad Erwärmung mehr als ein Drittel der Bevölkerung Wasserknappheit ausgesetzt sein. Bei drei Grad Erwärmung und mehr verdoppelt sich dieses Risiko und nimmt auch in Mitteleuropa stark zu. Währenddessen wird es an den Küsten, entlang von Flüssen sowie durch Starkregen mehr Überschwemmungen geben. Bei drei Grad globaler Erwärmung können sich die Schäden durch Überflutungen, die Kosten und die Anzahl der betroffenen Menschen in Europa verdoppeln.

Welche Gegenmaßnahmen wären in Österreich vordringlich?
Es braucht ein Bündel an Maßnahmen. Das reicht von geeigneten Retentionsflächen an Flüssen und der richtigen landwirtschaftlichen Sortenwahl bis hin zu Vorkehrungen gegen Wasserknappheit, die sehr lokal auftreten kann. In den Städten gilt es, Grünflächen zu erhalten und systematisch Gebäude zu begrünen. Wir wissen, dass im Nachhinein gesetzte Anpassungsmaßnahmen sehr viel teurer sind als jene, die von Haus aus mitgedacht werden.

Wie gut ist Österreich gerüstet?
Österreich und die meisten anderen europäischen Staaten sind in der Planung vergleichsweise gut aufgestellt. Aber in der konkreten Umsetzung der Maßnahmen gibt es Lücken. Es gibt sehr viel, was zur Anpassung unternommen werden kann, wenn die Erwärmung insgesamt nicht zu weit ansteigt. Das Zeitfenster, in dem das gemacht werden muss, ist jetzt. Es ist klein, aber noch ist es offen.