Die Anti-Rassismus-Protestwelle der "Black Lives Matter"-Bewegung schwappt nun auch nach Spanien über. Nachdem in mehreren US-Städten die Statuen des Amerika-Entdeckers Christoph Kolumbus und des spanischen Missionars Junipero Serra (1713-1784) zerstört wurden, kommt es nun auch im Heimatland der Konquistadoren zu Übergriffen auf Büsten und Monumente der beiden Persönlichkeiten.

In Serras Heimatdorf Petra auf Mallorca stülpten Unbekannte in der Nacht zum Mittwoch ein Plastiksackerl über den Kopf der Serra-Statue. Bereits am Montag beschmierten Unbekannte eine seiner Statuen in Palma de Mallorca in roten Lettern mit dem Wort "Rassist". Unterdessen wurde auch die berühmte Kolumbus-Statue im Hafen von Barcelona mit roter Farbe attackiert.

Von schwarzen Schafen

Die linke Podemos sowie Kataloniens Separatisten und eine mallorquinische Lokalpartei setzen sich für die Entfernung der Denkmäler ein, da es sich um Personen handle, welche den Genozid und die Versklavung der amerikanischen Ureinwohner gefördert hätte. Spanische Historiker beobachten indes mit Verwunderung und Unverständnis, wie in Spanien - vor allem aber in den USA - immer öfter Denkmäler spanischer Persönlichkeiten aus der Zeit der Entdeckung Amerikas und der ersten Kolonisierung zerstört werden.

Am Wochenende warfen in San Francisco Demonstranten die Statue es spanischen Franziskanermönch Junipero Serra um. Der Gründer von San Francisco und Kalifornien soll die indianische Bevölkerung unterdrückt und mit Gewalt zwangsmissioniert zu haben. Landesweit wurden auch Büsten von Amerika-Entdecker Kolumbus zerstört. Kalifornien kündigte an, eine Statue von Kolumbus mit der spanischen Königin Isabella, der "katholischen Königin", entfernen zu wollen. "Amerikanische Sklavenhändler aus dem 19. Jahrhundert mit spanischen Eroberern aus dem 16. Jahrhundert in einen Sack zu packen, ist absurd", erklärt Emilio Saenz Frances, Historiker an der Pontificia Comillas Universität in Madrid.

Natürlich seien die Eroberungszüge der Spanier mit Gewalt verbunden gewesen und es habe viele schwarze Schafe unter den "Conquistadores" gegeben. Dennoch sei die Inbesitznahme der Neuen Welt nicht mit einem militärischen Genozid einhergegangen. Selbst berühmt berüchtigte Eroberer wie Hernan Cortes oder Pizarro hätte sich die Feindschaft zwischen den verschiedenen Stämmen zunutze gemacht, um die Azteken und die Mayas zu besiegen.

"Historisch haltlose" Anschuldigungen

In den ersten Jahren der Eroberung starben 90 Prozent der karibischen Ureinwohner an der Schweinegrippe und nicht durch Kanonen oder Musketen. "Und selbst die anschließende Kolonisierung durch die Spanier hatte keine rassistischen Grundzüge wie später die der britischen oder französischen Kolonialisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Spanier waren sogar sehr offen für Mischehen mit der indigenen Bevölkerung", so der Historiker.

Vor allem stellt Saenz Frances aber klar, dass die Anschuldigungen der Anti-Rassismus-Bewegung gegen Serra, Königin Isabella und Kolumbus historisch haltlos sind. Selbst Papst Franziskus habe Junipero Serra gerade als "Verteidiger und Beschützer der amerikanischen Ureinwohner vor der Brutalität anderer spanischer Kolonialisten" 2015 sogar heiliggesprochen.

Kolumbus sei unterdessen in seiner kurzen Zeit auf dem neuen Kontinent eher Abenteurer und Entdecker als unterdrückender Eroberer gewesen. Wie die meisten seiner Epoche lehnte auch Kolumbus die Sklaverei nicht ab, schickte seiner Auftraggeberin Isabella von Kastilien sogar Sklaven.

"Die spanische Königin war ihrer Zeit aber sehr voraus, ließ die Eingeborenen wieder frei und zurückbringen. Als Untertanten sollten sie dieselben Rechte und Pflichten wie Spanier haben", erklärt Carmen Sanz Ayan, Historikerin an der Madrider Complutense-Universität. Sie gibt zu, dass viele spanische Kolonialherren nicht ihrer Anweisung folgten. Doch habe sich die spanische Königin Hunderte Jahre vor den amerikanischen und britischen Sklavenhändlern gegen den Menschenhandel ausgesprochen. "Diese drei derzeit so von den Demonstranten und einigen Politikern angefeindeten Figuren dienen kaum dazu, den rassistischen Imperialismus zu verteufeln", so Sanz Ayan.

Wie historisch haltlos teilweise die derzeitigen Angriffe in den USA auf die Statuen spanischer Persönlichkeiten sind, zeigt auch das Beispiel von Miguel de Cervantes (1547-1616). Der spanische Nationaldichter und Autor des weltberühmten Ritterromans "Don Quijote" war niemals in Amerika. Mehr noch: Als Soldat kämpfte er gegen die Osmanen, wurde auf der Heimreise von Piraten gefangen genommen und selber als Sklave nach Algerien verschleppt.

So sehen sich nun auch die spanische Regierung und die größten Oppositionsparteien zum Handeln aufgefordert, das spanische Kolonialerbe in den USA über die spanische Botschaft zu schützen. "Natürlich war auch Spaniens Kolonialgeschichte von Licht und Schatten übersät. Man darf viele Dinge aber auch nicht aus dem historischen Kontext und mit der moralischen Brille von heute beurteilen", so Geschichtsprofessor Emilio Saenz Frances. Die Eroberung durch die Spanier habe zum Ende des Mittelalters stattgefunden.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez stimmt mit Saenz Frances überein. Mit dem selben Argument lehnte er bereits vor einigen Wochen die Aufforderung des mexikanischen Präsidenten Lopez Obrador ab, Spanien und der Vatikan mögen sich mit Blick auf den 500. Jahrestag der Eroberung der Aztekenreichs 2021 für die Verbrechen der Eroberer entschuldigen. "Unsere Brudervölker haben es immer verstanden, unsere gemeinsame Geschichte ohne Zorn und mit einer konstruktiven Perspektive zu lesen", schrieb Sanchez seinem mexikanischen Amtskollegen zurück.