Die Staatsanwaltschaft Koblenz im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz prüft nach der Flutkatastrophe im Ahrtal die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Dabei gehe es um möglicherweise unterlassene oder verspätete Warnungen oder Evakuierungen der Bevölkerung, teilte die Behörde am Montag mit.

In diese Prüfung sollen neben der "umfangreichen Presseberichterstattung" auch Feststellungen aus Todesermittlungsverfahren sowie allgemeine polizeiliche Hinweise aus der Katastrophennacht vom 14. auf den 15. Juli einbezogen werden. Gegen wen sich der Anfangsverdacht richtet, wurde in der Mitteilung nicht gesagt.

Am Wochenende waren erneut Fragen im Zusammenhang mit dem Krisenmanagement in der Nacht des Unwetters laut geworden. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll trotz präziser Warnungen erst spät der Katastrophenfall ausgerufen worden. Die Kreisverwaltung habe neben online veröffentlichten Informationen im Laufe des Abends mehrere automatisierte E-Mails des zuständigen Landesamts für Umwelt erhalten, in denen auch der prognostizierte enorme Pegelstand von fast sieben Metern mitgeteilt worden sei, heißt es in dem Bericht.

Kein Kommentar

Die Kreisverwaltung wollte diesen Bericht am Sonntag nicht kommentieren und verwies auf einen späteren Zeitpunkt. Für Landrat Jürgen Pföhler (CDU) habe die Wiederherstellung der Versorgung der Menschen im Flutgebiet derzeit oberste Priorität, hieß es. Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte mehrfach erklärt, dass die Abläufe rund um die Warnungen und Einleitung von Rettungsmaßnahmen im Ahrtal aufgearbeitet werden sollen.

Die Zahl der Menschen, die in der Flutkatastrophe im Ahrtal ihr Leben verloren haben, ist am Montag auf 138 gestiegen. Weiterhin vermisst werden 26 Bewohner, wie Florian Stadtfeld vom Polizeipräsidium Koblenz mitteilte. Identifiziert seien bisher 106 Menschen.

Der Staatsanwaltschaft liegen nach eigenen Angaben zudem weitere polizeiliche Erkenntnisse zum Tod von zwölf Menschen in einer Betreuungseinrichtung in Sinzig vor. Auch diese sollen ausgewertet werden, ob sich daraus der Anfangsverdacht von Straftaten ergebe.

Die Prüfung werde etwas Zeit benötigen, erklärte Oberstaatsanwalt Harald Kruse. "Zum einen wäre es fatal, Menschen, die in der Katastrophennacht sicherlich schwierige Entscheidungen zu treffen hatten, auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage mit Ermittlungen zu überziehen", erklärte er. Zum anderen gelte, dass Ermittlungen gegebenenfalls umso zielgerichteter geführt werden könnten, je fundierter der Anfangsverdacht geklärt werde.

15 Millionen Euro Soforthilfe

Nach der Flutkatastrophe wurden bisher mehr als 15 Millionen Euro aus der Soforthilfe des Landes an Bewohner des Ahrtals ausgezahlt. Wie das Statistische Landesamt am Montag weiter mitteilte, wurden rund 7.500 Anträge bewilligt. 1.600 Anträge seien mehrfach eingereicht worden. Eine dreistellige Zahl von Anträgen werde noch bearbeitet, da bei ihnen noch Fragen zu klären seien wie etwa Zahlendreher in Kontoverbindungen oder unklare Adressangaben.

Die Soforthilfe von maximal 3.500 Euro je Haushalt soll akute Notlagen finanziell überbrücken. Sie ist nicht als Aufbauhilfe oder zur Deckung entstandener Schäden gedacht. Voraussetzung für eine Soforthilfe sind laut Landesamt grundsätzlich Schäden von über 5.000 Euro abzüglich Versicherungsleistungen. Neben der Soforthilfe für Privatleute gibt es kurzfristige finanzielle Unterstützung auch für Unternehmen und Kommunen in dem betroffenen Gebiet.