Ein vermeidbarer Mord erschüttert den Karpatenstaat. Mit Blumen, Kerzen und wütenden Sprechchören gegen die Inkompetenz der Polizei haben Tausende Menschen vor dem Innenministerium in Bukarest am Wochenende eines ermordeten Mädchens gedacht: Die 15jährige Alexandra ist zum Opfer eines Gewaltverbrechens - und des tödlichen Versagens der Polizei geworden.

Am Mittwoch war das Mädchen verschwunden, nachdem sie sich per Autostop in ihren südrumänischen Heimatort Dobrosleni aufgemacht hatte. Einen Tag später gelang es ihr, offenbar mit dem Telefon ihres Entführers drei Notrufe an die Polizei mit Hinweisen auf ihren Aufenthaltsort abzusetzen. „Er kommt, er kommt“, waren die letzten Worte des Mädchens, bevor das Telefonat unterbrochen wurde.

Die Polizei wartete 19 Stunden zu

Erst nach mehr als zwölf Stunden hatten die Ermittler das Gebäude ihres mutmaßlichen Aufenthaltorts lokalisiert. Obwohl dies in Notfällen keineswegs nötig ist, beantragte die Polizei aber zunächst bei der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl – und wartete die Morgendämmerung zum Eindringen in das Haus ab. 19 Stunden nach dem letzten, vergeblichen Hilferuf des Mädchens versuchten die Gesetzeshüter schließlich ihr zur Hilfe zu kommen. Der Rettungsversuch kam zu spät. Das offenbar zuvor sexuell missbrauchte Mädchen war bereits ermordet worden.

Auf dem Anwesen des mutmaßlichen 65jährige Täters seien „menschliche Überreste“ und der Schmuck von Alexandra gefunden worden, so hernach die dürre Mitteilung der Polizei. Der Verhaftete streitet jegliche Schuld ab, behauptet das Mädchen nie gesehen zu haben: Warum sie mit seinem Telefon die Polizei angerufen habe, könne er sich auch nicht erklären.

Der mutmaßliche Mörder steht mittlerweile auch im Verdacht, in den Fall einer vor drei Monaten in einem Nachbardorf verschwundenen 18jährige Jugendlichen verwickelt zu sein. In Bukarest hat derweil das große Stühlerücken begonnen. Innenminister Nicolae Moga setzte bereits am Freitagabend den nationalen Polizeichef Ion Buda vor die Türe. Es seien „drastische Maßnahmen“ nötig, begründete er dessen Entlassung.

Harsche Kritik an der Fahrlässigkeit der Politik

Für die Demonstranten, die am Wochenende vor das Innenministerium zogen, ist das Bauernopfer nicht genug – sie fordern den Abtritt der gesamten Regierung. Denn sie machen vor allem auch die Politik für die Inkompetenz und Ineffezienz der Polizei und der Staatsanwaltschaft verantwortlich.

Statt in die Stärkung einer unabhängigen Justiz sowie einer schlagkräftigen Polizei zu investieren, haben sich die seit Anfang 2017 regierenden Sozialisten (PSD) lange ausschließlich damit beschäftigt, den Justiz- und Polizeiapparat unter ihre vollständige Kontrolle zu bringen: Die Lancierung von loyalen Parteikadern in den Spitzenämtern von Polizei und Justiz hat die Fachkompetenz in Rumäniens Sicherheitsapparat keineswegs erhöht. Seit der Verhaftung des wegen Amtsmissbrauch verurteilten PSD-Chefs Liviu Dragnea im Mai ist Regierungschefin Viorica Dancila von den umstrittenen Justizreformen zwar zumindest rhetorisch etwas abgerückt. Doch auch Staatschef Klaus Johannis sieht die Regierung im Fall Alexandra mit in der Verantwortung: Es sei „zwingend nötig“, dass all diejenigen ihren Rücktritt erklärten, die mit dem Fall falsch umgegangen seien.