Nach mehr als zwei Jahren Pandemie und fast ebenso langem Streit um die Freigabe der Impfstoffpatente in Entwicklungsländern zeichnet sich nun ein Kompromiss ab. Aktuellen Berichten zufolge haben sich die EU, USA, Südafrika und Indien auf einen Lösungsansatz geeinigt, der allerdings noch von der Welthandelsorganisation (WTO) abgesegnet werden muss.

Infrage kommt das Modell demnach für Länder, die 2021 weniger als zehn Prozent der weltweiten Ausfuhren von Corona-Impfdosen exportiert haben. Erlaubt werden soll laut Text die Verwendung von „patentierten Teilen, die für die Herstellung und Lieferung von Covid-19-Impfstoffen erforderlich sind, ohne die Zustimmung des Rechteinhabers, soweit dies zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie nötig ist“. Zudem soll auch auf geistige Eigentumsrechte für Inhaltsstoffe und Verfahren, die für die Herstellung von Corona-Impfstoffen erforderlich sind, verzichtet werden. Ausgenommen sind Corona-Medikamente und Tests und ausgenommen dürfte auch China sein. Unklar ist noch, ob das Zeitfenster drei oder fünf Jahre sein soll. Ein Sprecher der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai erklärte, die informellen Gespräche zwischen den vier Hauptparteien hätten noch nicht zu einer Einigung geführt. Die Beratungen würden noch fortgesetzt.

Dennoch gibt es zu dem Plan bereits kritische Stimmen. „Es ist ein Armutszeugnis für die EU, dass es so lange Pandemie braucht, um diesem Vorschlag zuzustimmen. Ich fordere: Die anderen Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation müssen den vorgeschlagenen Kompromisstext schnellstmöglich genehmigen. Wir haben schon zu viel wertvolle Zeit verloren, Covid weltweit zu bekämpfen und neue Virusvarianten zu verhindern“, sagte Anna Cavazzini, EU-Abgeordnete der Grünen. Die zeitweise Freigabe nur auf Impfstoffe zu beschränken, sei der nächste Fehler: „Der globale Süden braucht auch Zugang zu Covid-Therapien, um Menschenleben zu retten.“

Zu spät und zu schwach

Alexandra Strickner von Attac Österreich argumentiert ähnlich: „Dieser Vorschlag ist zu wenig. Er ist lediglich ein Eingeständnis, dass die WTO-Regeln für geistiges Eigentum den gerechten und leistbaren Zugang zu medizinischer Versorgung behindern.“ Kritik kommt auch von SPÖ-Bereichssprecherin Petra Bayr: „Der Vorschlag kommt zu spät und ist zu schwach.“ Aber er sei immerhin „ein kleiner und wichtiger Schritt für die globale Gesundheit gegenüber der Macht der Pharmakonzerne“.

In den Entwicklungsländern liegen die Impfraten weit hinter denen wohlhabender Länder zurück, das Aussetzen der Patentrechte war ursprünglich von den USA angestoßen worden. Die Impfstoffhersteller hatten dagegen einen Technologietransfer und Partnerschaften befürwortet. Ebenso die EU, die ins Treffen führte, dass ein Entzug von Patentrechten Rückschläge für die Finanzierung weiterer Forschungsarbeit zur Folge haben könnte.