Der Aufenthalt im Freien ist seit Beginn des zweiten harten Lockdowns ganztägig untersagt. Für viele gibt es dazu aber keine Alternative – was auch rechtlich eine differenzierte Betrachtung erfordert.

Das Sozialministerium erläutert zwar, ob und inwieweit obdachlose Menschen von den Ausgangsbeschränkungen betroffen sind: "Sofern obdachlose Menschen über eine Nutzungseinheit in einem Beherbergungsbetrieb verfügen (z. B. Notschlafstellen), sind die Bestimmungen über die Ausgangsregelung maßgeblich." Allerdings gilt außerdem: "Auf solche Personen, die über keinen privaten Wohnbereich verfügen, kann diese Norm nicht angewandt werden."

Diese rechtliche Differenzierung wird von Betreibern karitativer Einrichtungen bereits als Erfolg verbucht, "denn im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr wurde nun auch die Situation obdachloser Menschen berücksichtigt“, sagt Elisabeth Hammer, Geschäftsführerin vom Neunerhaus. "Gleichzeitig ist das eine Information, die nicht breit bekannt ist - schon gar nicht bei Obdachlosen selbst", führt Hammer weiter aus. Angst und Unsicherheit in dieser so vulnerablen Gruppe seien gerade jetzt immens.



Der neuerliche Lockdown und die hereinbrechenden kalten Temperaturen werden zur Herausforderung. Auf eines sollen sich Hilfesuchende aber verlassen können: "Jeder, der einen warmen Schlafplatz sucht, soll diesen auch bekommen", sagt Klaus Schwentner, Caritas-Generalsekretär der Erzdiözese Wien. "Die Nachfrage nach Schlafplätzen ist bereits jetzt sehr, sehr groß." Es stünden in diesem Winter aber auch zusätzliche Schlafplätze zur Verfügung, erläutert Schwentner.



Zum Schlafplatz gibt es auch immer öfter die Möglichkeit des Tagesaufenthalts: "Die Notquartiere bleiben auch tagsüber geöffnet. Die Menschen haben somit 24 Stunden ein Dach über dem Kopf", freut sich Elisabeth Hammer. Die Caritas richtet zusätzlich Anfang Dezember, gemeinsam mit den Wiener Pfarren, 27 Wärmestuben ein.
Viele wohnungs- und obdachlose Menschen sind außerdem Teil der Corona-Hochrisikogruppe. "Unsere Bewohner haben Angst vor der Krankheit", sagt Elisabeth Hammer. In den Wohneinrichtungen von Neunerhaus sei zudem die Vereinsamung ein ganz großes Thema: "Die psychische Belastung ist enorm. Um die Bewohner auch emotional zu versorgen, bieten wir ihnen gemeinsame Spaziergänge an."



Vom Bewusstsein der Obdachlosen für die Maßnahmen zeigen sich die Organisationen beeindruckt. Klaus Schwentner lobt ihren Umgang mit der Krise: "Diese Menschen sind in einer schwierigen Situation. Trotzdem warten sie, beispielsweise bei der Suppenausgabe geduldig, mit Abstand und Maske."



Doch auch wenn diese Gesundheitskrise irgendwann vorbei sein sollte, bleibt jedenfalls eine soziale Krise: Menschen, die derzeit noch ein Dach über dem Kopf haben, haben Angst, dieses zu verlieren. Die Beratungsstellen der Caritas laufen deswegen derzeit auf Hochtouren: "Es ist noch zu früh, um zu sagen, dass es im nächsten Jahr mehr Obdachlose geben wird. Aber der Druck steigt."

Spender, Helfer und wohnungs- und obdachlose Menschen brauchen einen langen Atem. Schwentner: "Österreich ist immer wieder durch Krisen gegangen. Die Pandemie dauert schon sehr lange. Doch gerade in dieser Zeit, wo es erforderlich ist, dass wir Abstand halten, müssen wir zusammenhalten und einander nahe sein."