Erst wurde wegen des Corona-Risikos das Nachtleben auf Mallorca stillgelegt. Dann nahmen die neuen Corona-Infektionen auf der Baleareninsel – trotzdem – derart zu, dass mittlerweile zahlreiche europäische Staaten Reisewarnungen aussprachen. Zunächst war Deutschland vorgeprescht und hatte Mallorca und die übrigen balearischen Inseln Ibiza, Menorca und Formentera zum "Risikogebiet" erklärt. Nun zogen auch Österreich und die Schweiz nach. Deutsche, Österreicher und Schweizer machen zusammen rund 50 Prozent aller Mallorca-Besucher aus.

63 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner

Nach amtlichen Angaben wurden auf Mallorca und den Nachbarinseln in den vergangenen sieben Tagen 63 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner registriert. Damit liegen die Ferieninseln deutlich über dem EU-Referenzwert von 50 Fällen auf 100.000 Einwohner, ab dem viele Staaten eine Reisewarnung beschließen. Spanienweit liegt dieser Risikowert inzwischen bei 72, sodass Berlin, Wien und Bern auch für das spanische Festland eine Warnung verhängten. Nur die ebenfalls zu Spanien gehörenden Kanaren wurden noch nicht zum Risikogebiet deklariert – doch auch dort steigen die Erkrankungen.

Hoteliers und Reiseveranstalter kritisieren derweil das generelle Reiseveto für Mallorca. Denn die Situation auf der beliebtesten Urlaubsinsel Europas sei örtlich sehr unterschiedlich. "Hier wird mit einem Pauschalurteil der ganze deutschsprachige Tourismus abgewürgt", ärgert sich der Besitzer eines kleinen Landhotels in Sa Coma, an Mallorcas Ostküste, die vom Virus bisher weitgehend verschont blieb. In vielen mallorquinischen Orten könne man "noch immer unbesorgt Ferien machen." In der Tat belegen die offiziellen Zahlen, dass der Corona-Brennpunkt vor allem im Großraum Palma mitsamt den Urlaubshochburgen Playa de Palma und Calvià liegt. Nördlich der Inselhauptstadt scheint das Infektionsrisiko im Augenblick sehr viel geringer.



In 14 Gemeinden auf Mallorca gibt es derzeit keine aktiven Corona-Fälle, meldet das "Mallorca Magazin". Darunter seien die touristischen Bergdörfer im Tramuntana-Gebirge Deià und Fornalutx. In anderen nördlich Palmas gelegenen Urlaubsorten gab es bisher nur sehr wenige Infektionen, wie etwa in Porto Cristo, Andratx oder Alcúdia. Auch Deutschlands größter Tourismuskonzern Tui hält die Reisewarnung für Mallorca für übertrieben. Besser wäre es gewesen, die Warnung auf Palma und das britische Partyzentrum Magaluf in der Gemeinde Calvià zu begrenzen, sagt ein Tui-Sprecher. Man bedauere, dass es nun eine Reisewarnung für die gesamte Balearen-Insel gebe.

"Sie bleiben meistens doch hier"

Die Warnung vor einem Urlaub auf Mallorca hat bei den Feriengästen zunächst keine Fluchtinstinkt, sondern vor allem Unsicherheit ausgelöst. "Viele Touristen, die davon gehört haben, sind zuerst schockiert", berichtet Andreas Falow, deutschsprachiger Pfarrer auf Mallorca, im Online-Medium "Domradio". Aber: "Nachdem sie aus der Schockstarre erwachen, bleiben sie meistens doch und führen ihren Urlaub hier auf der Insel zu Ende."

Manche große Hotel-Ketten haben ihre Preise um 30-50 Prozent gesenkt, um ihre Betten doch noch irgendwie zu füllen. "Mallorca-Hotels locken mit Kampf-Preisen", titelt die deutsche "Mallorca Zeitung". Zudem erwartet die Individualisten, die sich durch Reisewarnung und Test- oder Quarantänepflicht nicht abschrecken lassen, ein beschauliches Mallorca, wie man es seit vielen Jahren schon nicht mehr gesehen hat: ohne Staus auf der Autobahn, ohne überfüllte Strände und ohne sommerliche Probleme, einen Tisch mit Blick aufs Meer für das Abendessen zu sichern.