Am Mittwoch hob der Verfassungsgerichtshof die bisherigen Covid-19-Verordnungen teilweise auf, jetzt heißt es, auch die Abstandsregelung könnte verfassungswidrig sein. Ist der Babyelefant ein Illegaler?
KARL STÖGER: Das hat etwas für sich. Der Verfassungsgerichtshof hat die bis Ende April geltende Verordnung aufgehoben, die Lockerungsverordnung mit der Abstandsregelung wurde mit 1. Mai in Geltung gesetzt. Beide Verordnungen beruhen auf dem Maßnahmengesetz zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19. Dieses Gesetz sieht vor, dass das Betreten von bestimmten Orten zur Verbreitung des Virus untersagt werden kann. Wenn im Gesetz „bestimmte Orte“ steht, dann kann man nicht den gesamten öffentlichen Raum als Verbotszone deklarieren. So verhält es sich auch mit der Abstandsbestimmung. Auch diese kann man nach dem Gesetz nicht generell für den gesamten öffentlichen Raum verordnen, sondern eben nur für bestimmte Orte.

Muss ich mich dann überhaupt noch an diese Abstandsbestimmung auf Straßen und Plätzen, also im öffentlichen Raum, halten?
Verordnungen gelten so lange, bis sie aufgehoben werden. Und so lange sind sie von den Behörden anzuwenden und Übertretungen sind zu bestrafen. Wenn aber ein Bestrafter ein Rechtsmittel dagegen ergreift, haben die Verwaltungsgerichte die Pflicht, bei Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Verordnung diese dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Das erste Gericht also, das sich mit einem Rechtsmittel gegen eine Strafe wegen Verletzung der Abstandsregelung beschäftigen muss, wird sich an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Nun befanden die Höchstrichter es auch als rechtswidrig, dass Geschäfte mit nicht mehr als 400 Quadratmetern und Baumärkte öffnen durften, Großkaufhäuser aber erst Wochen später. Ist es nicht auch eine Ungleichheit, wenn in Supermärkten, Banken, der Post jetzt wieder die Maskenpflicht gilt, aber etwa in Parfümerien, Bekleidungsgeschäften oder Schuhläden nicht? Kann das nicht wieder eine Aufhebung nach sich ziehen?
Es muss nicht schlagend werden. Die Regierung sagt, sie will Menschen an Orten schützen, die alle aufsuchen müssen. In einem Supermarkt, in der Post oder der Bank, da drängen sich oft Menschen, da wird es schwer, Abstand zu halten. Viele Menschen kaufen Lebensmittel für den kurzfristigen Bedarf ein und müssen also jeden zweiten Tag einkaufen gehen. Oder ältere Menschen, die ihre Pension von der Bank holen. Die müssen dorthin. Aber das Einkaufen von Bekleidung ist keine alltägliche Notwendigkeit. Die Maskenpflicht an bestimmten Orten also lässt sich argumentieren, ich sehe da eher kein Problem.

Wird denn nicht die Bevölkerung eklatant verunsichert, wenn sie in derart gravierenden Situationen von der Regierung mit umstrittenen Verordnungen, die später von den Verfassungsrichtern als rechtswidrig aufgehoben werden, konfrontiert wird?
Als man das Covid-19-Maßnahmengesetz beschloss, dachte man bei dem Begriff „bestimmte Orte“ eher an Flussufer oder auch Sportstätten. Die Regierung nützte schließlich die beschränkte Ermächtigung durch dieses Gesetz gleich als Generalermächtigung. Doch die Aufhebung bedeutet keinen Bauchfleck. Die Verfassungsrichter sagten nicht, dass diese verordneten Einschränkungen grundsätzlich nicht möglich gewesen wären. Das Parlament hätte es nur im Gesetz dann anders darstellen müssen.

Nur jene erhalten das Strafgeld ohne Hürden zurück, die ein Rechtsmittel erhoben haben. Es fällt nicht schwer, das als Ungerechtigkeit zu empfinden ...
Das ist der rechtliche Unterschied, ob ich eine Strafe bekämpfe oder mich damit abfinde. Jedoch hat die Behörde die Möglichkeit, die Strafe von sich aus zurückzuzahlen, und auch das Parlament kann Vorgaben für eine Amnestie machen. Die Amnestie wird allerdings nur für Strafen bei diesen Betretungsverstößen im öffentlichen Raum möglich sein. Nur diese Bestimmung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.