"Reisen ist mittlerweile ein Grundbedürfnis", sagte der Professor für Tourismuswirtschaft, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Jürgen Schmude, in einem am Dienstag veröffentlichten Reuters-Interview.

"Bis komplett darauf verzichtet wird, muss schon noch viel passieren. Die Leute werden weiter reisen", so Schmude. Das Last-Minute-Buchen werde aber wieder deutlich an Gewicht gewinnen. "Viele warten ab, wie sich das Virus weiter verbreitet und entscheiden sich erst spät", sagte der Experte. Ob der Heimaturlaub in Deutschland von der raschen Ausbreitung des Virus in gefragten Reiseländern wie Italien profitiere, sei keineswegs ausgemacht. "Nach den Terroranschlägen in Ägypten und in der Türkei wurden eben andere Warmwassergebiete wie Spanien, Italien und Griechenland angesteuert", sagte Schmude. "Der Tourist ist da relativ flexibel."

Sicher oder nicht?

Entscheidend für die Wahl des Urlaubsorts sei nicht zuletzt, wie groß die Distanz zwischen Heimatort und möglichem Reisegebiet sei. "Für deutsche Touristen ist nicht ganz Italien verbrannt, sondern derzeit ist vor allem die Lombardei ein No-Go. Sizilien dagegen schon nicht mehr", nannte der Tourismusforscher ein Beispiel. Aus asiatischer Sicht gelte dagegen gegenwärtig ganz Italien als unsicher, wenn nicht sogar ganz Europa. "Das kennen wir aus anderen Krisen: Viele Europäer sind nach der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima nicht mehr nach Korea geflogen, obwohl das sehr weit entfernt vom Unglücksort liegt", sagte der Experte. "Beim Ebola-Ausbruch in Zentralafrika sind viele Deutsche nicht mehr nach Südafrika geflogen."

Touristisches Verhalten sei oftmals nicht rational. "Wenn man es positiv sehen will: Touristen haben ein recht kurzes Gedächtnis", betonte der Professor. Sollte sich der Coronavirus-Ausbruch beruhigen und nicht mehr so oft in den Schlagzeilen stehen, würden beliebte Ziele recht schnell wieder interessant nachgefragt - zumal Anbieter mit Sonderangeboten und Preisnachlässen locken dürften. "Beim Preis gibt es eine rote Linie, ab der viele Touristen bereit sind, ein vermeintliches Risiko zurückzustellen."

Selbst das Osterreisegeschäft sieht der Experte noch nicht als verloren an. Zwar könnten Städte eher gemieden werden als ländliche Räume, weil dort größere Menschenmengen zusammenkommen könnten und damit potenziell die Ansteckungsgefahr steige. "Sollte sich die Lage aber in den nächsten Wochen beruhigen, sollte sich das Ostergeschäft nahezu normal entwickeln", sagte Schmude. Die Absage der Tourismusmesse ITB in Berlin sieht er eher als Negativwerbung an. "Das hat eine schlechte Signalwirkung für die Reisebranche", betonte Schmude. "Wenn sich selbst die Touristiker selber nicht trauen zusammenzukommen, dann ist das keine vertrauenschaffende Maßnahme für ihre Produkte."

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