Mit hängenden Köpfen verließen Chinas Fußballerinnen das Spielfeld. Nach einer 1:6-Klatsche gegen England mussten sie sich bereits nach der Vorrunde von der Frauen-Fußball-WM in Australien verabschieden. Vorbei die Zeiten, als man es noch bis ins Finale einer WM schaffte.

Kleines Dort, großer Fußball

Noch trostloser erscheint Chinas Männer-Nationalteam. Die konnten sich erst einmal für eine WM-Endrunde qualifizieren, wo sie ebenfalls nach der Vorrunde ausschieden. Auch schon mehr als 20 Jahre her das Ganze. Mittlerweile hat sich die oberste Fußballliga nach etlichen Korruptionsskandalen sportlich in Luft aufgelöst, der ehemalige Nationaltrainer muss sich demnächst vor Gericht verantworten. Kurzum: Chinas Fußball steht im Abseits.

Doch ausgerechnet in einer der ärmsten Regionen Chinas regen sich nun neue Lebensgeister des Fußballs. Mit nicht einmal 300.000 Einwohnern zählt Rongjiang in der Provinz Guizhou als Dorf, es war vor kurzem auch der Austragungsort des Finales der sogenannten "Cunchao", der chinesischen Dorf-Superliga. Diese Amateurliga wird von lokalen Fußballfreunden organisiert, 20 Dorf-Teams spielen zuerst in einer Gruppenphase und dann im K.o.-System um den Titel. Ohne Legionäre, ohne Öl-Milliarden, ohne Top-Stadien, ohne TV-Rechte – einfach nur Fußball. Und was für einer!

Die Dorf-Amateure können mit der technischen Brillanz von Messi & Co. zwar nicht mithalten, aber in Sachen Leidenschaft und Begeisterung setzen sie neue Maßstäbe. Zehntausende Fans mit Fahnen und Vuvuzelas verwandeln die Fußballplätze in sprichwörtliche Hexenkessel, in den sozialen Medien hat die Dorf-Liga die chinesische Profi-Liga längst überflügelt. 20 Milliarden Mal wurde das jüngste Finale im Internet angeklickt und hat damit einen neuen Fußball-Boom in China ausgelöst. Vergesst Manchester, Mailand und München – das kräftigste Lebenszeichen des Fußballs kommt derzeit aus Rongjiang!

Der Blick nach Saudi-Arabien

Die zahlreichen ethnischen Minderheiten stellen die Teams zusammen. So spielen beispielsweise die Miao aus Rongjiang gegen die Dong aus Taijiang oder die Shui gegen die Yao. Cheerleaders sorgen mit Volkstänzen für Unterhaltung, neben dem Spielfeld wird gegrillt und gekocht, was das Zeug hält. Ein wahres Fußball-Volksfest.

Minderheiten, Begeisterung, Eigeninitiative – prinzipiell eine brisante Mischung in China, die man in Peking nicht so gerne sieht. Der Nationale Fußballverband hält aber still, er hat andere Sorgen, und die Partei-Propaganda berichtet noch wohlwollend über die Fußballbegeisterung in der Provinz. Immerhin hat der Fußball-Boom auch einen Touristenstrom ausgelöst, der zusätzliches Geld in die arme Provinz bringt.

Nicht genug Geld für einen Cristiano Ronaldo, aber den will in Rongjiang ohnehin niemand. Dort staunt man zwar über die vielen Milliarden der Saudis für den Fußball, bleibt aber grundsätzlich skeptisch. Mit Millionengagen hatte es auch schon China vor Jahren probiert. Ging aber gründlich schief. Rongjiangs Rat an die Fußballwelt: Dem Ball hinterherlaufen, nicht dem Geld!