"Meine älteste Tochter hat mir gesagt, dass ihre Mutter noch vier Tage gelebt hat", sagte der Vater der Geschwister am Sonntag in der Hauptstadt Bogotá. "Bevor sie starb, hat sie vielleicht gesagt: Geht." Viel mehr hätten ihm seine Kinder über die Zeit im Dschungel noch nicht erzählt.

"Es ist nicht leicht, sie zu fragen. Sie haben 40 Tage nicht richtig gegessen, nicht gut geschlafen. Ich hoffe, dass die Kinder sich gut erholen, dann können sie selbst erzählen, was passiert ist."

Nach der Rettung seiner vier Kinder aus dem Regenwald im Süden von Kolumbien berichtete der Vater der Geschwister von Morddrohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc. "Die Front Carolina Ramírez sucht mich, um mich zu töten. Es gibt Drohungen gegen mich, ich bin ein Ziel für sie", sagte Manuel Ranoque am Sonntag in der Hauptstadt Bogotá. "Sie haben wirtschaftliche Interessen, und wenn man nicht tut, was sie sagen, ist man ein Feind für sie." Die Front Carolina Ramírez ist eine Splittergruppe der Rebellengruppe Farc, die das 2016 unterzeichnete Friedensabkommen nicht mitträgt. Sie ist in den Drogenhandel verwickelt und soll im Süden des Landes zuletzt vier Minderjährige getötet haben.

Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag nach 40 Tagen im Regenwald im Süden des Landes gefunden. Sie waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá abgestürzt. Bei dem Unglück kamen die Mutter der Kinder, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Erst am 16. Mai drangen Mitglieder der Spezialeinsatzkräfte der kolumbianischen Heeres bis zu dem Flugzeugwrack vor und fanden dort die Leichen der drei Erwachsenen. Laut einem vorläufigen Bericht der Luftfahrtbehörde kollidierte das Kleinflugzeug mit den Baumkronen und stürzte danach senkrecht zu Boden. Es wird angenommen, dass der Zusammenstoß mit den Bäumen den Aufprall so stark abbremste, dass der hintere Teil der Kabine kaum beschädigt wurde, weshalb die Kinder überlebten.

Dehydriert, Gesundheitszustand aber "akzeptabel"

Die Kinder seien bei ihrer Rettung dehydriert gewesen und könnten noch keine feste Nahrung zu sich nehmen, sagte der Verteidigungsminister. Insgesamt sei ihr Gesundheitszustand aber "akzeptabel", sie seien "außer Gefahr". Außer ein paar Hautverletzungen und Insektenstichen hätten sie keine äußerlichen Schäden davongetragen, ergänzte der Militärarzt. Die Kinder sollen nun allmählich wieder an feste Nahrung gewöhnt werden.

Auch der Vater der Geschwister hatte sich an der Suche beteiligt. Nachdem die Kinder gefunden wurden, begleitete er sie in das Militärhospital in Bogotá. "Ich bin auch aufgenommen worden. Ich bin krank", sagte Manuel Ranoque. "Ich habe hohes Fieber. Ich habe 40 Tage darum gekämpft, meine Kinder wiederzufinden."

Nach mehr als fünf Wochen gefunden

Das Quartett war am Freitag nach wochenlanger Suche im Dschungel gefunden worden. Auf dem Flug nach Bogotá bat der Vater den General der Spezialeinsatzkräfte, Pedro Sánchez, Pate seiner jüngsten Tochter zu werden. "Es ist mir eine Ehre", habe er geantwortet, erzählte der Offizier im Fernsehsender Caracol. "Ich bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau gesagt: Wir werden eine Tochter haben. Auch wenn sie einen anderen Nachnamen trägt, es ist egal. Es geht darum, was man im Herzen, in der Seele fühlt."

Zwei der Kinder hatten im Dschungel ihren Geburtstag erlebt: Die Jüngste, Cristin, wurde ein Jahr alt, ihr Bruder Tien Noriel wurde fünf. Der andere Bruder ist neun Jahre alt, das älteste Mädchen 13. Überschwänglich lobte der Minister die Älteste, Lesly: "Ihr und ihrer Führung haben wir es zu verdanken, dass die drei anderen überlebt haben, dank ihrer Fürsorge und ihrer Kenntnis des Dschungels.

Die Kinder gehören dem indigenen Volk der Huitoto oder Witoto an. "Sie sind Kinder des Buschs", sagte Großvater Valencia. Sie wüssten, wie man im Dschungel überlebt. Zunächst hätten seine Enkel ein wenig von dem Mehl gegessen, das noch an Bord des Flugzeuges war. Dann hätten sie sich auch von Samen ernährt. Ihre Kenntnis der Region dürften ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben. Sie ernährten sich offenbar von wilden Maracujas und Mangos sowie Lebensmittelpaketen, die das Militär über dem Dschungel abgeworfen hatte - in der Hoffnung, dass die umherirrenden Kinder sie finden würden.

"Menschen können bis zu 30 Tage überleben, ohne sich ausgewogen zu ernähren", sagte die Ernährungswissenschafterin Liliana Dávila dem Fernsehsender RCN. "Wenn die Kinder gut hydriert sind, ist es möglich, eine lange Zeit ohne Nahrung zu überleben. Im Dschungel ist es einfach, Regenwasser aufzufangen."

Kinder überlebten Absturz wie durch ein Wunder

Am 1. Mai war ein Kleinflugzeug mit den Kindern, deren Mutter und zwei weiteren Erwachsenen an Bord über dem Amazonas-Regenwald im Süden Kolumbiens abgestürzt. Die Erwachsenen kamen bei dem Absturz ums Leben, die Kinder überlebten wie durch ein Wunder. Die Maschine und die Leichen der Erwachsenen wurden zwei Wochen nach dem Absturz entdeckt.

Die Kinder waren Medienberichten zufolge auf dem Weg zu ihrem Vater gewesen, der wegen ständiger Bedrohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc aus der Region geflohen war. Zwar hat sich nach dem Friedensabkommen 2016 die Sicherheitslage zwischen der Regierung und der Farc verbessert, allerdings werden noch immer Teile des südamerikanischen Landes von illegalen Gruppen kontrolliert. Vor allem Indigene, soziale Aktivisten und Umweltschützer geraten immer wieder in das Visier der kriminellen Banden.

Suchmannschaften der Armee und von Indigenen suchten seit dem Absturz unterstützt von Spürhunden nach den Kindern. Nach Angaben der Armee haben die Retter dabei mehr als 2.650 Kilometer durch den Dschungel zurückgelegt. Die Einsatzkräfte verloren dabei nie die Hoffnung, denn sie fanden ein Babyfläschchen, eine Schere, Schuhe, Windeln, zerkaute Früchte, Fußabdrücke und Notunterkünfte.

Rettungshund Wilson verschollen

Ein an dem Sucheinsatz beteiligter Hund ist indes verschollen. Der belgische Schäferhund namens Wilson war den Streitkräften zufolge nicht von einer Suche im dichten Regenwald zurückgekehrt. Wie die Leiterin der kolumbianischen Familienfürsorge, Astrid Caceres, nach einem Besuch bei den Kindern berichtete, spürte der Schäferhund die Kinder offenbar auf und begleitete sie zeitweise, bevor er verschwand. "Die Suche ist noch nicht zu Ende. Unser Grundsatz: wir lassen niemanden zurück", hieß es am Samstag auf dem Twitter-Account der Armee unter einem Foto von Wilson.