"Ich bin schon gespannt, was mir mein kleiner deutscher Freund zu sagen hat", höhnte der britische Premierminister Lloyd George vor einer Audienz bei König Georg V. Auf dem Festland tobte der Erste Weltkrieg. Das Empire kämpfte mit seinen Verbündeten der Entente gegen das Deutsche Reich von Kaiser Wilhelm II. und die Mittelmächte, denen als zweite Großmacht die Habsburgermonarchie angehörte. In Großbritannien war nun alles, was Deutsch war, verpönt, wurde verfolgt, die Behörden liquidierten deutsches Eigentum. Das 1901 in London von der exquisiten deutschen Klavierfabrik Bechstein errichtete Konzertgebäude etwa ließ die britische Regierung enteignen und in Wigmore Hall umbenennen.

Da gab es freilich im Buckingham Palace den König, dessen Dynastie mit Sachsen-Coburg und Gotha einen deutschen Namen trug: Georg V., ein Enkel von Queen Victoria, der großspurige deutsche Kaiser Wilhelm ebenso, mütterlicherseits. Die Enkel der legendären Königin, die 64 Jahre lang regierte, standen sich jetzt als Feinde gegenüber. Der Schriftsteller Herbert George Wells wetterte, die königliche Familie meinend, England leide an einem ausländischem (außerirdischen) und wenig inspirierenden Hof. Der König erwiderte: "Ich bin vielleicht langweilig, aber, verflucht noch einmal, kein Ausländer." 1917 legte Georg V. sämtliche deutsche Adelstitel ab und benannte seine Familie in "Windsor" um, nach dem Schloss, dessen Geschichte bis in die Zeit von Wilhelm den Eroberer im 11. Jahrhundert zurückreicht.

Schloss Windsor, nach dem sich die Königsfamilie ab 1917 nannte
Schloss Windsor, nach dem sich die Königsfamilie ab 1917 nannte © imago/ZUMA Press

Von Graz nach London

Auch der 1854 in Graz geborene und in England zum Oberbefehlshaber der Marine aufgestiegene Ludwig von Battenberg wird "englisch". Als Marinechef hatte er seiner deutschen Wurzeln wegen jedoch kurz nach Kriegsausbruch zurücktreten müssen. Er und seine Nachkommen hießen nun Mountbatten, sein Enkel Philip erlangte als Prinzgemahl von Queen Elizabeth II. Bekanntheit. Gleichfalls Mary, die Gemahlin von Georg V. und spätere Großmutter von Queen Elizabeth II., wies als Tochter des Herzogs von Teck deutsche Wurzeln auf – ihr Vater war ein Sohn von Alexander Herzog von Württemberg, der wegen nicht standesgemäßer Heirat von der Erbfolge ausgeschlossen in der österreichischen Armee diente und zeitweise in Graz am Glacis lebte.

Alexander von Battenberg, der Urgroßvater von König Charles
Alexander von Battenberg, der Urgroßvater von König Charles © (c) Ullstein Bild / picturedesk.com

Die britische Königsfamilie geht auf Königin Victoria und ihren Gemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha zurück. Die englische Herrscherfamilie bevorzugte bereits zuvor deutsche Adelige als Ehepartnerinnen oder Ehepartner. Schon Victorias Mutter entstammte dem Haus Sachsen-Coburg, ihr Bruder Leopold avancierte übrigens zum König der Belgier. Die Deutschen gelangten nach dem Aussterben der Stuart-Dynastie 1714 auf den Thron in London – die Königswürde fiel an den Kurfürsten von Hannover, der als Georg I. die Herrschaft antrat. Auch seine Nachfolger bevorzugten Prinzessinnen aus deutschen Familien. Gleichfalls der letzte Hannoveraner als britischer König, Wilhelm IV., dessen Nichte Victoria schließlich als Herrscherin nachfolgte.

Prinzgemahl aus deutschem Adelshaus (links): Königin Victoria und Albert im Kreis ihrer Familie
Prinzgemahl aus deutschem Adelshaus (links): Königin Victoria und Albert im Kreis ihrer Familie © Scherl / SZ-Photo / picturedesk.

Der älteste Sohn von Georg V. fiel mit seiner Wahl aus der Reihe. Er begehrte eine zweimal geschiedene Amerikanerin. Für sie verzichtete er auf sein königliches Amt, um fortan als Herzog von Windsor mit einer angetrauten Wallis zu leben. Sein Bruder ehelichte noch als Herzog von York mit der schottischen Adeligen Elizabeth Bowes-Lyon eine "Einheimische" – der Streifen "The King’s Speech" setzte dem von Stottern geplagten Georg VI. ein filmisches Denkmal, seine Gemahlin bleibt als ginfröhliche "Queen Mum" verewigt. Tochter Elizabeth setzte mit Prinz Philip die "deutsche" Heiratstradition fort. Die in Deutschland lebenden Verwandten des künftigen Prinzgemahls durften 1947 wegen Verstrickung mit dem seinerzeitigen Naziregime aber nicht an der Hochzeit teilnehmen.

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Die nachkommenden Windsors fanden und finden ihre Partnerinnen und Partner nicht mehr im Hochadel mit deutschen Wurzeln. Wenn Charles III. und Camilla am 6. Mai in der Westminster Abbey gekrönt werden, findet sich im Programm des Zeremoniells ein wenig deutsche Tradition: Die Hymne "Zadok the Priest" aus Georg Friedrich Händels "Coronation Anthems" erklang seit der Krönung Georgs II. bei jeder Krönung in London. Händel war Kapellmeister am Hof in Hannover, ließ sich dann in der englischen Hauptstadt nieder und komponierte für "seinen Kurfürsten", als dieser König Georg I. von England wurde. Händel stammte aus Halle in Sachsen, seine Hymne erklang auch bei der Krönung von Charles III., dem König aus dem Haus Windsor, das bis 1917 Sachsen-Coburg und Gotha hieß.