Die Liebe zur Musik kennt keine Grenzen – und könnte eigentlich auch die Völker einstiger Kriegsgegner einen. Zumindest die Schlagerstars in den ex-jugoslawischen Staaten haben wegen der gemeinsamen Sprache die Chancen des gemeinsamen Marktes längst erkannt. Ob bosnische, kroatische oder serbische Sangesgrößen: Die populären Goldkehlchen touren unablässig, um grenzüberschreitend über die Liebe und das Leben zu trällern.

Über Geschmack lässt sich immer trefflich streiten. Doch auf keinerlei Diskussionen will sich Filip Zoričić, der Bürgermeister im kroatischen Pula, bei dem von ihm verfügten Verbots eines am 25. März geplanten Konzerts serbischer Volksmusiker in der Provinzhauptstadt Istriens einlassen. „Dies ist keine Volks-, sondern Turbofolkmusik, die zu unserer Stadt nicht passt“, begründet er die Absage des Konzerts in der städtischen Sporthalle: „Pula gehört zu der mediterranen, europäischen Kultur. Und solange ich Bürgermeister bin, wird es keinen Turbofolk im öffentlichen Raum geben.“

„Turbofolk“ nennt sich mit Techno- und Disco-Rhythmen unterlegte Volksmusik, die sich im Kriegsjahrzehnt der 1990er Jahre und nach der Jahrtausendwende vor allem in Serbien, aber auch in den anderen Ex-Bruderstaaten großer Beliebtheit erfreute. Ihre Ikonen, wie die Serbin Svetlana "Ceca" Ražnatović oder die Kroatin Severina Vučković, füllen bis heute auch in der ex-jugoslawischen Diaspora in Westeuropa die Hallen.

Obwohl auch in Serbien viele Schlagerstars inzwischen wieder mehr auf traditionelle als auf elektronische Klänge setzen, sind ihre in Kroatien als „cajke“ geschmähten Hits dort ungebrochen populär: Zumindest musikalisch scheinen sich viele Kroaten dem Balkan stärker verbunden zu fühlen, als es manche ihrer Politiker wahrhaben wollen.

"Serbischer Müll"

Als „serbischen Müll“ soll Pulas Bürgermeister die Musik der Interpreten bezeichnet haben, deren Auftritt er zu verhindern trachtet. Seit 40 Jahren verbringe sie ihren Urlaub regelmäßig in Istrien, sei dort immer als „Königin“ behandelt worden, reagiert die 63-jährige Sängerin Ana Bekuta auf das Auftrittsverbot: „Müll ist Müll und hat keine Nation. Wie ich sehe, findet er sich in Kroatien und Serbien gleichermaßen.“

Entscheidung bis Dienstag

Am Donnerstag trafen sich die Anwälte der Veranstalter und der konzertunwilligen Stadt Pula vor Gericht. Bis spätestens Dienstag soll dieses über einen Eilantrag des auf Einhaltung der Verträge pochenden Managements der Musiker auf die Aufhebung des Konzertverbots entscheiden. „Leben und leben lassen, singen und singen lassen“, so die Empfehlung von Sängerin Bekuta: „Wenn Dir eine Kneipe nicht gefällt, wechsle sie. Und wenn Dir ein Konzert nicht gefällt, kaufe Dir eben keine Karte. So einfach ist das.“

Spötter weisen derweil darauf hin, dass die serbischen „cajke“ sich besonders in den patriotisch gesinnten Kreisen in Kroatien großer Beliebtheit erfreuen. „Wenn Du ein Konzert serbischer Volksmusiker in Kroatien organisieren willst, kontaktiere erst einmal diskret den örtlichen Verband der Kriegsveteranen. Und alles geht glatt“, ätzt das serbische Wochenmagazin „Nedeljnik“.

Vielen sind die Bürgerväter peinlich

Zwar hat auch der Bürgermeister von Osijek mit Verweis auf die „europäische Dimension“ seiner Stadt die Ausrichtung des Konzerts abgelehnt. Doch auch viele Kroaten, die nichts mit Volksmusik am Hut haben, sind die nach verkapptem Nationalismus riechenden Zensurneigungen ihrer Bürgerväter eher peinlich. Jeder solle das hören können, was er wolle, so die überwiegenden Reaktionen bei Straßenumfragen in den kroatischen Medien. „Ich liebe diese Musik nicht. Sie geht mir auf die Nerven und schmerzt meine Knochen“, versichert Staatschef Zoran Milanovic: „Aber ich würde sie nicht verbieten.“