In Frankreich bereitet die Regierung die Bevölkerung auf geplante, kurzzeitige Stromabschaltungen vor. Das geht aus einem Rundschreiben hervor, das Premierministerin Elisabeth Borne am Donnerstag an die französischen Präfekten geschickt hat. "Wir tun alles, um Abschaltungen zu verhindern", sagte Borne, betonte aber, dass es in den Händen der Konsumenten läge. Wenn alle ihren Stromverbrauch reduzieren würden, käme Frankreich vielleicht ohne Abschaltungen durch den Winter.

Täglicher Strombericht in Abendnachrichten 

Seit Anfang Oktober gibt es in den Abendnachrichten nach dem klassischen Wetterbericht einen sogenannten Strom-Wetterbericht, der Bürgerinnen und Bürger über die Belastung des Stromnetzes informiert. Auch auf der Webseite Ecowatt kann man sich über die Lage informieren. Bislang war alles im grünen Bereich. Springt die Karte auf Orange um, ist das Stromnetz belastet. Bei Rot drohen Stromabschaltungen. Verantwortlich für eventuelle Engpässe ist die Lage in den maroden Atomkraftwerken Frankreichs, die bis zur Entdeckung von Rostschäden in Kühlrohren 70 Prozent des Stroms lieferten. Von 56 Reaktoren sind 21 noch immer nicht am Netz. 

Noch ist die Karte grün, doch das könnte sich bald ändern
Noch ist die Karte grün, doch das könnte sich bald ändern © Screenshot

Kommt es angesichts der reduzierten Stromproduktion zusätzlich zu einem ungewöhnlichen Kälteeinbruch und stellt beispielsweise Deutschland seine Lieferungen ein, tritt ein nationaler Notfallplan in Kraft, um einen landesweiten Blackout zu verhindern, der verheerende Folgen hätte. "Wir schalten nur ab, wenn es sehr kalt wird, wenn wir ein Problem mit der Interkonnektivität der Netze mit unseren Nachbarn haben und der Verbrauch nicht runtergeht", sagte ein Regierungssprecher. 

Niedrigere Spannung als erste Maßnahme, dann lädt das Handy langsamer

Sollte es zu Engpässen kommen, wird in einem ersten Schritt die Stromspannung landesweit um fünf Prozent reduziert. Allein die eingesparte Menge entspricht dem Verbrauch von Städten wie Paris und Toulouse zusammen. Verbraucher würden das kaum wahrnehmen, heißt es, sie würden höchstens bemerken, dass sie etwas länger brauchen, um ihr Handy aufzuladen.  

In einem zweiten Schritt sind geplante Abschaltungen von höchstens zwei Stunden vorgesehen, niemals mehrere für denselben Haushalt. Sie würden entweder zwischen 8 und 13 Uhr oder abends zwischen 18 und 20 Uhr stattfinden, wenn der Konsum seinen Höhepunkt erreicht. Vermeiden will man, ganze Departements oder Regionen abzuschalten. Es wäre immer nur ein Teil der Haushalte betroffen. "Eine Karte der abgeschalteten Orte muss man sich wie ein Leopardenmuster vorstellen", heißt es aus dem Kabinett von Premierministerin Borne. Der Stromnetzbetreiber Enedis würde dann Leitung für Leitung entscheiden. An jeder hängen 1500 bis 2000 Stromkunden. 

Ampeln und Straßenbeleuchtung werden nicht funktionieren

Die knapp hundert Präfekten der Regierungsbezirke haben den Auftrag, Listen zu erstellen von Unternehmen, die als "vital" eingestuft werden. Sie müssen im Falle von Abschaltungen auch die Bevölkerung warnen: Ampeln und Straßenbeleuchtung werden nicht funktionieren, auch Mobil- und Festnetze werden ausfallen. Sie müssen Lösungen finden, das Notrufnetz aufrechtzuerhalten. Auch U-Bahnlinien in Großstädten sollen von Abschaltungen ausgespart werden, um zu verhindern, dass Menschen über zwei Stunden in einem Tunnel festsitzen. 

Die betroffenen Haushalte und Firmen werden im Vorfeld von ihrem Stromanbieter informiert. Ab 17 Uhr am Vortag gibt es eine Warnung, die um 19.30 Uhr detailliert wird. Erst ab 21.30 Uhr können Konsumenten auf der Webseite des Stromnetzbetreibers Enedis mit ihrer genauen Adresse überprüfen, ob sie betroffen sind. Ausgenommen von potenziellen Abstellungen sind 14.000 Einrichtungen. Auf der nicht veröffentlichten Liste stehen Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, bestimmte Industriestandorte, Ministerien und als sensibel eingestufte Einrichtungen. Auch Haushalte mit schwerkranken Patienten, die zu Hause versorgt werden, sind nicht betroffen oder werden ausreichend früh vorgewarnt. Sollte es keinen Strom in Schulen geben, könnte der Unterricht stundenweise ausfallen.  

Paris soll zu der „nationalen Anstrengung“ beitragen

Auch Paris soll zu der "nationalen Anstrengung" beitragen, hieß es. Doch die Planung erweist sich angesichts der urbanen Dichte als schwierig. "Wenn man sich allein die Liste der Pariser Krankenhäuser anschaut, ist es eine wirklich knifflige Aufgabe herauszufinden, welche Stromleitungen abgeschaltet werden können", gesteht ein Sprecher der Regierungschefin ein. Offensichtlich will man Bewohnern der Provinz nicht das Gefühl geben, eine Pariser Elite zu privilegieren. Die Gelbwestenkrise hat für mehr Sensibilität in der Pariser Zentralverwaltung gesorgt. 

Video: Blackout - Was man wirklich braucht, falls der Strom ausfällt