Erneut hat eine UN-Delegation empfohlen, das Great Barrier Reef auf die Liste der gefährdeten Welterben zu setzen. Die Experten der Unesco fordern in einem aktuellen Bericht "ehrgeizige, schnelle und nachhaltige" Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Letzteren haben die Experten als eine der Hauptgefahren für die Korallen identifiziert. Trotz der "beispiellosen wissenschaftlichen und verwaltungstechnischen Bemühungen", die Australien in den letzten Jahren unternommen habe, leide das Riff "erheblich" unter den Folgen des Klimawandels, heißt es.

Die UN-Experten hatten das Riff, das bereits seit dem Jahr 1981 Weltnaturerbe ist, im März besucht. Damals war es gerade von einer sechsten Massenbleiche seit 1998 – einer vierten Bleiche seit 2016 – getroffen worden. Dies war zudem die erste Bleiche in einer La-Niña-Phase gewesen, die normalerweise mehr Wolkenbedeckung und geringere Temperaturen mit sich bringen sollte.



Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass auch der Säuregehalt des Wassers zugenommen hat. Die Great Barrier Reef Marine Park Authority spricht von einem Anstieg von inzwischen 26 Prozent. Dies verlangsamt das Wachstum der Korallen und macht sie anfälliger für Schäden. Zudem konnte die Wasserqualität nicht in dem Ausmaß verbessert werden, wie dies die Regierung im Bundesstaat Queensland, vor dessen Küste das Riff liegt, sowie die Bundesregierung in Canberra versprochen hatten. Kritisch merkten die UN-Experten auch an, dass in der Region des Riffs nach wie vor "Kiemennetze" zum Einsatz kommen, die immer wieder auch Dugongs, Schildkröten, Delfine und verschiedene geschützte Haiarten töten.

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Neben der Verringerung von Sedimenten und dem Abfluss von Schadstoffen aus der Landwirtschaft empfiehlt die Unesco in ihrem Bericht deswegen auch den Stopp der zerstörerischen Netze. In erster Linie fordern die UN-Experten aber nochmals ehrgeizigere Klimaziele, die mit einem Stopp der Erwärmung bei 1,5 Grad Celsius vereinbar sind. Bisher hat sich die australische Regierung unter dem Sozialdemokraten Anthony Albanese dazu verpflichtet, die Emissionen bis 2030 43 Prozent unter das Niveau von 2005 zu drücken. Letzteres ist bereits eine deutliche Verbesserung, verglichen mit den Zusagen der Vorgängerregierung. Doch laut Climate Analytics, einem internationalen Institut für Klimawissenschaft und -politik, ist dieses Ziel nur mit einer Erwärmung von mehr als zwei Grad vereinbar. Um die Erwärmung bei 1,5 Grad aufzuhalten, müsse das Land seine Emissionen bis zum Jahr 2030 um etwa 74 Prozent reduzieren, heißt es.



Der aktuelle Bericht der Unesco bedeutet nicht automatisch, dass das Riff auf der sogenannten Roten Liste der gefährdeten Welterben landen wird. Dies erfordert eine Abstimmung des Welterbe-Komitees. Die australische Regierung machte bereits deutlich, dass sie gegen eine Aufnahme argumentieren werde. "Wir werden gegenüber der Unesco deutlich machen, dass es nicht nötig ist, das Great Barrier Reef auf diese Weise hervorzuheben", sagte Umweltministerin Tanya Plibersek. Die Unesco habe Orte in der Vergangenheit als gefährdet eingestuft, wenn sie größere staatliche Investitionen oder größere staatliche Maßnahmen sehen wollte, doch mit dem Regierungswechsel sei beides nun geschehen, wird betont.

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Tatsächlich hat die Labor-Regierung, die seit Mai des heurigen Jahres Australiens Geschicke führt, die Ausgaben für das Great Barrier Reef in den vergangenen Monaten nochmals deutlich erhöht: Bis 2030 hat Canberra insgesamt 1,2 Milliarden Dollar, umgerechnet fast 775 Millionen Euro, für den Erhalt des Riffs zugesagt, das die Heimat von 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten bildet.
Trotz dieser Zusage sollte der Unesco-Bericht für all diejenigen, die sich über das Riff informiert hätten, "keine Überraschung" sein, wie der Korallenexperte Terry Hughes meinte. Er fordert, wie etliche andere australische Wissenschaftler auch, "dass Australien aus fossilen Brennstoffen aussteigt."

Obwohl sich Forscher wie Hughes damit auf die Seite der UN-Experten schlugen, kursierten auf Twitter etliche Posts, die das tatsächliche Bild am Riff "aufzuhübschen" versuchten. So kritisierten einige Kommentatoren die UN-Delegation, indem sie auf einen Bericht von Anfang August verwiesen. Damals meldeten mehrere Medien, dass Forscher im Norden und im Zentrum des Riffs die höchste Korallenbedeckung seit über drei Jahrzehnten gemessen hätten. Letztere Nachricht erwies sich leider als "trügerisch", zumal es sich um wenige dominante Arten handelte, die nach einer Störung wie einer Massenbleiche schnell heranwachsen. Diese Arten sind extrem anfällig und sterben meist binnen weniger Jahre.

Im vergangenen Jahr konnte die damalige australische Regierung unter dem nicht explizit als Umweltschützer bekannten Ex-Premierminister Scott Morrison eine Aufnahme des Riffs in die Rote Liste mit einer Blitzkampagne in letzter Sekunde verhindern. Die damalige australische Umweltministerin Sussan Ley traf binnen acht Tagen Entscheidungsträger aus 18 Ländern persönlich oder virtuell. Zusätzlich lud man internationale Diplomaten zum Schnorcheltrip ans Great Barrier Reef ein. Diese Lobbyarbeit funktionierte offenbar: Eine Aufnahme auf die Liste wurde danach prompt abgelehnt.