Ein nach dem Gletscherbruch an der Marmolata (Marmolada) in den italienischen Dolomiten als vermisst gemeldeter Österreicher ist nach Angaben des Außenministeriums in Wien wohlauf. Ursprünglich war der 63-jährige Niederösterreicher am Montagnachmittag als einer von 15 Vermissten angesehen worden, die Rettung hatte ihn demnach zu den ausländischen Gesuchten gezählt, die Mehrzahl sind Italiener. Kurze Zeit später gab das Außenministerium Entwarnung.

Niederösterreicher ist wohlauf

Bereits zuvor hatte die APA aus diplomatischen Kreisen in Rom und vom Außenministerium in Wien erfahren, dass vermutet wurde, der Österreicher sei nicht an der Unglücksstelle unterwegs gewesen. Bisher sind acht Leichen geborgen. "Wir haben keinen Anhaltspunkt, dass sich die Person zum Unglückszeitpunkt in dem Gebiet aufgehalten hat", sagte Außenministeriumssprecherin Antonia Praun zunächst auf APA-Anfrage. Kurze Zeit später hatte sie Gewissheit, dass der gesuchte Niederösterreicher wohlauf ist.

Neben den bisher acht geborgenen Toten wurden weitere acht Personen bei dem Unglück am Sonntag verletzt, zwei Deutsche schweben auf der Intensivstation des Krankenhauses von Belluno in Lebensgefahr, hieß es am Montagnachmittag. Bis Montagfrüh waren vier Opfer identifiziert worden. Dabei handelt es sich um drei Italiener, darunter zwei Bergführer aus der Region Venetien, und einen Tschechen.

Die Chance, Überlebende zu finden, ist laut den Rettungseinheiten sehr gering. Das gesamte Gebiet rund um den Gletscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Suche nach den Vermissten wurde am Montag mit Drohnen und einigen Rettungseinheiten fortgesetzt, jedoch am Nachmittag wegen schlechten Wetters wieder unterbrochen.

Die Identifizierung der Todesopfer könnte länger dauern, Obduktionen dürften notwendig werden. Die geborgenen Leichen sind von Eis, Steinen und Geröll entstellt, daher ist es vorerst schwierig, die genaue Zahl der Todesopfer zu eruieren. Aus diesem Grund sind DNA-Tests vorgesehen: Die genetischen Daten werden mit denen von Familienmitgliedern und Verwandten abgeglichen.

Kontrollen auf den Straßen des Fedaia-Passes und auf den Parkplätzen rund um den Fedaia-See, von wo aus die Wanderwege zur Marmolata beginnen, ergaben, dass bei mehreren Fahrzeugen die Besitzer noch nicht erreicht werden konnten. Somit versuchen die Carabinieri und die Rettungskräfte, die vermissten Bergsteiger zu identifizieren, indem sie die Nummernschilder mit den Buchungen der Unterkünfte in der Gegend abgleichen. Auch auf der Seite des Berges in der Provinz Belluno werden Kontrollen durchgeführt, da möglicherweise auch von diesem Hang Personen aufgestiegen sind.

500 Meter mit 300 km/h abgestürzt

Die vom Marmolata-Gletscher abgelöste Masse stürzte mindestens 500 Meter mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde auf zwei Seilschaften von Bergsteigern, berichteten die Experten der Alpinen Rettung. Die abgelöste Masse erstreckt sich über eine zwei Kilometer lange Front auf einer Seehöhe von etwa 2800 Metern.

Der Gletscher, von dem ein riesiges Stück abbrach
Der Gletscher, von dem ein riesiges Stück abbrach © (c) AP (Autonomous Province of Trento)

Die hohen Temperaturen der vergangenen Wochen könnten für das Unglück verantwortlich sein, vermuten Experten. Am Sonntag wurde bei einer Messstation auf 2.606 Meter Höhe in der Marmolata-Gruppe eine Höchsttemperatur von 16,8 Grad gemeldet. Am 20. Juni waren sogar 17,7 Grad registriert worden. Am Samstag war auf der Marmolata ein Temperaturrekord von zehn Grad am Gipfel gemessen worden, die Durchschnittstemperatur der vergangenen Jahre lag etwa bei sieben. Der Marmolata-Gletscher ist der größte in den Dolomiten und befindet sich auf der Nordseite der Marmolata-Gruppe. Diese liegt in den Provinzen Trient und Belluno.

Der italienische Premierminister Mario Draghi traf Montagvormittag in der Ortschaft Canazei ein, wo sich die Einsatzzentrale befindet. Draghi, der sich persönlich über die Suche nach den Vermissten erkundigen will, traf den italienischen Zivilschutzchef Fabrizio Curcio und den Präsidenten der Region Venetien, Luca Zaia. Er besuchte die Halle in Canazei, in der sich die Leichen der Unglücksopfer befinden. Der italienische Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit dem Trentiner Landeshauptmann Fugatti und kondolierte den Familienangehörigen der Opfer.