Amerikanische Hausbesitzer fordern Paketboten dazu auf, vor ihren Türkameras zu tanzen oder sich zu bedanken. Der TikTok-Trend hat eine Debatte über Arbeitsbedingungen von Amazon-Angestellten ausgelöst, berichtet "Spiegel Online" am Samstag

Im Hintergrund steht ein Amazon-Lieferwagen, der Paketbote hat gerade ein Päckchen vor der Tür abgestellt. Doch bevor er den Vorgarten verlässt, erfüllt der Zusteller noch eine Bitte, die die Hausbesitzerin auf einem Zettel am Eingang hinterlassen hat: Er blickt direkt in die digitale Türkamera und beginnt zu tanzen, schildert "Spiegel Online" eine derartige Szene.

"Teach Me How to Dougie"

Mehr als sechs Millionen Mal ist das Video des tanzenden Paketfahrers auf der Videoplattform TikTok bereits angeschaut und mehr als 600.000-mal mit "Gefällt mir" markiert worden. Die Nutzerin, die den Clip vor knapp drei Wochen hochgeladen und mit dem Hip-Hop-Song "Teach Me How to Dougie" unterlegt hat, blendet dazu den Text ein: "Ich habe ein Schild aufgehängt mit der Bitte an die Fahrer, zu tanzen. Dieser Typ war großartig! Kennt ihn jemand?"

Einige TikTok-Nutzer können hingegen kaum fassen, was da passiert. Ein Nutzer bezeichnet den Clip als "ekelerregend". Ein anderer schreibt: "Danke für diese neue Form des Kapitalismus, wo jeder einzelne Kunde diesem Fahrer sagen kann, was er tun soll unter dem Druck einer schlechten Bewertung, die ihn seinen Lebensunterhalt kosten kann." Die TikTok-Nutzerin, die das Video hochgeladen hat, ergänzt, dass sie dem Fahrer fünf Sterne gegeben habe und sie die Paketboten schlecht bewerte, wenn sie nicht tanzen.

Doch das Risiko einer Abwertung wollen Fahrerinnen und Fahrer offenbar nicht eingehen und beugen sich den Aufforderungen der Kunden. Immer wieder waren in den vergangenen Jahren bei TikTok solche Tanzvideos aufgetaucht. Auch die Betreiberin des TikTok-Kanals mit dem tanzenden DJ hat angekündigt, weitere von ihrer Türkamera aufgezeichnete Videos nachlegen zu wollen.

Angst vor schlechten Bewertungen

Rafael Shimunov von der US-Bürgerrechtsbewegung Athena fordert Amazon dazu auf, einzuschreiten. "Alles, was bei Amazon erfasst wird, dient der Bestrafung. Hört auf damit", schreibt der Aktivist auf Twitter. Er habe Amazon-Fahrer mehrfach zu diesem Trend befragt. Viele Arbeiter haben sich von solchen Schildern demnach "gezwungen gefühlt", zu tanzen oder andere demütigende Anfragen zu befriedigen, "damit die Kunden keine schlechten Bewertungen hinterlassen".

Auf eine Anfrage des "Spiegel" am Freitagmorgen haben Amazon und TikTok nicht geantwortet.