Als Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Regionen Italiens sprechen Sie sich gegen strengere Corona-Maßnahmen aus, die Ministerpräsident Mario Draghi über die Feiertage wünscht. Was ist Ihre Strategie gegen Omikron?

MASSIMILIANO FEDRIGA: Man muss Maßnahmen bedächtig treffen und soll sich nicht von Panik über jede neue Nachricht leiten lassen.  Wenn die Einschränkungen in rascher Folge wechseln, lösen sie nur Unruhe aus. Die Bevölkerung muss die Maßnahmen verstehen, damit sie bereit ist, diese mitzutragen. 

In Europa werden die Grenzen wieder strenger aufgezogen. Welche Regeln schließen Sie dazu vor, besonders gegenüber Ihren Nachbarn Österreich und Slowenien?

Die Grenzregeln sollen europaweit einheitlich sein und jedenfalls eine wissenschaftliche Basis haben. Heute wissen wir zum Beispiel, dass die Wirkungs- und Gültigkeitsdauer von neun Monaten für den Grünen Pass zu lange ist. Derzeit macht man zu viele politische Kompromisse. Italien hat nie die Grenzen geschlossen, wie es Österreich und Slowenien gemacht haben. Wir wollen an der Grenze mit Stichproben vorgehen, wie es Österreich nun auch macht, damit sich die Leute an den Grünen Pass anpassen. Damit kann man das Virus nicht völlig aufhalten, aber man reduziert das Ausbreitungsrisiko deutlich. Gegen Omikron ist es wichtig, dass viele die Booster-Impfung bekommen.

Italien hat eine viel höhere Impfquote als Österreich, warum liegt Friaul-Julisch Venetien unter dem Landesdurchschnitt?

In Italien sind rund 87 Prozent der Bevölkerung geimpft, damit hatten wir die Ausbreitung besser unter Kontrolle. In Friaul-Julisch Venetien liegt die Impfquote bei 85 Prozent. Wir hatten Belastungen durch den starken Pendlerverkehr mit Slowenien, das viel schlimmer betroffen war. Wir hatten auch die großen Proteste in Triest, aber Gott sei Dank ist diese Phase vorüber und viele haben sich danach impfen lassen. Dank der Kontrollen haben wir die Patientenzahlen in den Spitälern im Griff.

Präsident Massimiliano Fedriga im Interview mit Adolf Winkler
Präsident Massimiliano Fedriga im Interview mit Adolf Winkler © Kleine Zeitung

Italien hat schon lange Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Wären Sie auch für eine generelle Impfpflicht, wie Österreich sie einführen will?

Unsere Idee, die Bevölkerung schrittweise zu begleiten, war gut. Zuerst mit dem Grünen Pass (3G-Regel, geimpft, genesen, getestet), dann mit dem Super Green Pass (2G-Regel, geimpft, genesen). Damit konnten sich die Leute gut überlegen, sich für die Impfung zu entscheiden. Denn wie soll man es anstellen, die Leute zu zwingen? Indem man ihnen verbietet arbeiten zu gehen? Eine generelle Impfpflicht zu kontrollieren ist kompliziert.

Eine persönliche Frage: Lassen Sie Ihre Kinder impfen?

Ich gehe heute mit meinem siebenjährigen Sohn zum Impfen, der Jüngere ist erst vier und noch zu klein.

Was erwarten Sie trotz Omikron in Europa für den Tourismus in Friaul-Julisch Venetien?

Wir wissen, dass das kein normaler Winter ist, aber wir sind sehr optimistisch. Wenn wir gelbe Zone bleiben, reicht auf den Seilbahnen der normale Grüne Pass. Auch in Orange würden die Lifte offen bleiben, aber man braucht den Super Green Pass. Auch für den Sommer sind wir zuversichtlich. Es wird noch kaum globalen Tourismus geben. Friaul-Julisch Venetien wird ein sicheres Lieblingsziel für Österreicher und Deutsche sein und wir wollen auch unseren Gästehorizont in Europa vergrößern. Wir investieren Millionen in den Bergen und haben gerade eine neue Bahn am Monte Zoncolan eröffnet. In Lignano werden die Promenade und die Alpen-Adria-Arena erneuert.

Der Guardian hat Italien zum Land des Jahres gekürt. Sind Sie mit der Politik von Ministerpräsident Mario Draghi auch so zufrieden?

Ja, er macht seine Arbeit sehr gut und sorgt mit der Umsetzung und seinem Prestige auch international für ein gutes Image Italiens und wie das Land aus dieser Notfallsituation heraus steuert.

Draghi ist schon als Nachfolger von Staatspräsident Sergio Mattarella im Gespräch. Wird das Lager der Rechtsparteien auf Silvio Berlusconi setzen oder kann erstmals eine Frau Präsidentin werden, zum Beispiel die frühere Verfassungsgerichtspräsidentin und jetzige Justizministerin Marta Cartabia?

Darüber zu reden ist noch zu früh. Ich will keinen Namen nennen, um niemand unter Druck zu setzen. Entscheidend werden die ersten Wochen im Jänner sein. Wichtig wäre eine Kandidatin oder ein Kandidat mit möglichst breiter Zustimmung von allen Parteien. Die Wahl sollte dann sehr rasch erfolgen, als Signal nach innen und außen. Eine Republik mit einer Vakanz der Präsidentschaft wäre ein Schwächezeichen.

Wie sehen Sie die Turbulenzen der türkis-grünen Bundesregierung in Österreich mit dem Rücktritt von Sebastian Kurz und der raschen Ablöse von Alexander Schallenberg als Kanzler durch Karl Nehammer?

Das war eine sehr ernste Situation, aber das österreichische Parlament hat mit Verantwortung für politische Stabilität gesorgt. Neuwahlen hätten große Unruhe geschaffen und wären in der jetzigen Pandemie-Situation  auch nicht mit der notwendigen Sicherheit durchführbar.

In Rom und Mailand gewannen Sozialdemokraten bei den Bürgermeisterwahlen. Rückt auch Italien nach links wie Deutschland, wo SPD-Kanzler Olaf Scholz regiert?

Man muss unterscheiden zwischen nationalen Wahlen und Kommunalwahlen, wo es an den lokalen Kandidaten liegt. Wir konnten dafür in Friaul die Wahlen in Triest und Pordenone unter rechten Führung wieder gewinnen und Grado für uns umdrehen.