Die Großväter hatten sich noch mit Glasperlen abspeisen lassen, aber die Jungen erdulden das soziale Ungleichgewicht nicht mehr länger schweigend. Fast alles Erdöl Nigerias wird im Nigerdelta gefördert. Milliarden Petrodollars werden Jahr für Jahr aus der Erde herausgepumpt, zum Volk fließt so gut wie nichts zurück. Nur eine kleine Elite profitiert von den Staatseinnahmen, und dazu gehören auch die Politiker. Nigeria ist durch das Öl eigentlich ein reiches Land, doch just in den Fördergebieten "sitzen die Menschen in bitterer Armut in ihren Strohhütten", erklärte uns Michael Obert 2010 auf einem Zwischenstopp am Grazer Flughafen einmal.

Sieben Monate lang war der Autor von "Regenzauber" (erschienen 2011),  von dem auch die Reisereportage "Chatwins Guru und ich" stammt, den Niger entlanggereist, er fuhr auf dem drittgrößten Strom Afrikas. Vom Ursprung an der Grenze von Guinea zu Sierra Leone über die Sahelzone quer durch Mali, Niger, Nigeria bis zum Golf von Benin. Was er in Nigeria damals sah, laut Opec einer der größten Erdölexporteure der Welt, erschütterte Obert zutiefst: "In Nigeria sah ich viele Menschen ohne Hoffnung - und die sind zu allem fähig."

In den 1960er-, 1970er-Jahren, als die Förderungen richtig losgingen, seien die Konzernherren noch mit offenen Armen von der lokalen Bevölkerung aufgenommen worden. Die Menschen dachten, damit würden sie der Armut entkommen. Im Nigerdelta traf Obert damals 40-jährige Männer, die hießen mit Vornamen Agip oder Shell.

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Umwelt-Desaster

Dann war Shell wegen der Ölverschmutzungen 2010 verurteilt worden. Seitdem hatte das Unternehmen das Urteil wiederholt ohne Erfolg angefochten. Nun einigte sich der Konzern schließlich mit den Klägern auf einen Vergleich. Shell beharrte aber auf seinem Standpunkt, dass die Öl-Lecks durch Sabotageaktionen während des Bürgerkriegs in Nigeria von 1967 bis 1970 verursacht worden seien.

Bereits im Jänner hatte ein Gericht in den Niederlanden Shell dazu verurteilt, Entschädigungen für Öl-Lecks in zwei Dörfern in Nigeria zu zahlen. Geklagt hatten Bauern aus Dörfern im Niger-Delta. Sie hatten ihre Klage 2008 eingereicht und bekamen schließlich nach 13 Jahren Recht.

Die Ölreserven im Niger-Delta machen Nigeria zum größten Förderer in ganz Afrika. Dennoch lebt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Deltas in Armut. Durch Umweltschäden in der Region sind die bedeutendsten dortigen Wirtschaftszweige, Landwirtschaft und Fischerei, stark gefährdet. Die Zeit der Glasperlenspiele ist jetzt vorbei.