Island, wundervolles Kleinod im Nordatlantik, dort im äußersten Nordwesten Europas: Hätte sie ihre Vulkane nicht, wäre diese Insel so nicht entstanden. Insgesamt 31 davon gelten als aktiv – und nun geht Angst vor einem nahenden, großen Ausbruch um.

3000, größtenteils kleinere Erdbeben vermeldeten die seismischen Sensoren seit dem 19. Juni vor allem im Norden der 357.000-Einwohner-Insel (siehe Grafik). Von den drei heftigsten war das stärkste mit 5,8 auf der Richterskala in weiten Teilen des aus Land, Lava, Wasser und Eis geformten Landes zu spüren. Sogar in der Hunderte Kilometer entfernten Hauptstadt Reykjavík war es wahrnehmbar. Unheilvolle Vorboten eines massiven Vulkanausbruchs?

Eine Karte mit den Erdbeben, rot die aktuelleren, blau die etwas älteren
Eine Karte mit den Erdbeben, rot die aktuelleren, blau die etwas älteren © Met Office



Im Besonderen bereitet der Grímsvötn, Islands aktivster Vulkan im südöstlichen Hochland, Sorgen.  Er liegt unter der 8300 km² großen Gletscherdecke des Vatnajökull-Gletschers und könnte auf seine erste Eruption seit 2011 zusteuern. Auch die enormen Schwefeldioxidwerte und die erhöhte Erdwärme, die man seit Mitte Juni rund um den Grímsvötn misst, sprechen dafür.



Die meisten Beben finden derzeit in dem Gebiet um die Tjörnes-Halbinsel im Norden statt, bestätigt Geophysiker Páll Einarsson im Kleine-Zeitung-Interview. "Der Grímsvötn bereitet sich im Grunde seit 2011 auf eine neue Eruption vor. Der Grad an Aufladung, den wir jetzt erleben, deutet darauf hin, dass er so weit wäre." 2011 seien durch die enormen Aschemengen, die der siebentägige Ausbruch mit sich brachte, vor allem Landwirte schwer betroffen gewesen, so der emeritierte Professor, der sich seit 1970 mit Erdbeben beschäftigt.

Islands Behörde für Öffentliche Sicherheit riet der Bevölkerung indes dringend von Wanderungen in der Nähe der Städte Siglufjörður and Ólafsfjörður. ab. Dort donnerten in den letzten Tagen "substanzielle" Mengen von Gestein die Berghänge hinunter. Ähnlich eindringlich sind die Warnungen des isländischen "Met Office", der zentralen meteorologischen Anstalt, die weitere heftige Erdbeben in dem Gebiet nicht ausschließt.

Legte 2010 mit seiner monumentalen Aschewolke den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas über Wochen lahm: der Eyjafjallajökull
Legte 2010 mit seiner monumentalen Aschewolke den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas über Wochen lahm: der Eyjafjallajökull © (c) AP (Brynjar Gauti)



Die Erinnerung an eine Katastrophe ist noch sehr wach: Im März 2010 explodierte der Gletschervulkan Eyjafjallajökull (sprich: "AY-uh-fyatluh-YOE-kuutl-uh") und brachte mit seiner monumentalen Aschewolke den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas über Wochen zum Erliegen.DieEruptionssäule stiegt damals bis zu 5500 Meter hoch, ganze Landstriche wurden vom Vulkan verwüstet. Schätzungen zufolge lag der wirtschaftliche Schaden für das schwach besiedelte Land bei bis zu 3,7 Milliarden Euro.

Dass Island ein so aktives Erdbebengebiet ist, hat einen Grund: Hier grenzen die eurasische und die nordamerikanische tektonische Platte aneinander. Sie driften jedes Jahr zwei Zentimeter auseinander. Der Vulkanismus sorgt für neues Gesteinsmaterial aus dem Erdinneren – und dafür, dass die Insel nicht auseinanderbricht.

Die Isländer, seit jeher ein Volk sehr nahe an ihrer Natur, halten Vulkane eher für "interessant" denn für "gefährlich", hält Einarsson abschließend fest. "Wir wissen natürlich, dass sie sehr zerstörerisch sein können und sind auf der Hut. Aber wenn die Show einmal losgeht, wollen sie doch alle sehen."