Nach dem Mord an acht russischen Soldaten auf einem Armeestützpunkt in Sibirien hat der mutmaßliche Täter schwere Vorwürfe gegen die russische Armee erhoben. In einem am Donnerstag im Internet veröffentlichten Brief machte der 19-jährige Soldat die "Hölle" und gewaltsame Aufnahmerituale beim Militär für seine Tat verantwortlich.

Der Wehrdienstleistende Ramil Schamsutdinow hatte im Oktober 2019 auf dem Armeestützpunkt in der Stadt Gorny acht Menschen erschossen und mehrere verletzt. Das russische Verteidigungsministerium sprach nach dem Vorfall von einem "Nervenzusammenbruch" und schloss aus, dass die Tat im Zusammenhang mit seinem militärischen Dienst stehe. Dem 19-Jährigen droht eine lebenslange Haftstrafe.

Reue eines Patrioten

"Ich bereue, dass ich mich nicht kontrollieren konnte und mich für eine extreme Maßnahme entschieden habe, aber ich hatte keine Wahl", erklärte Schamsutdinow in dem Brief, dessen Echtheit durch einen seiner Anwälte bestätigt wurde. Er sei Patriot und habe Berufssoldat werden wollen.

"Aber ich habe nicht erwartet, dass ich in solch einer Hölle enden würde", schrieb der 19-Jährige. "Ich konnte die Misshandlungen nicht mehr ertragen." Seinen Anwälten zufolge erhielt Schamsutdinow von seinen Kameraden Morddrohungen - unter anderem hätten sie ihm gedroht, ihn "in der Toilette zu ertränken".

Brutale Aufnahmerituale waren in den 1990er-Jahren ein großes Problem innerhalb der russischen Armee. Seitdem hat sich die Situation jedoch deutlich verbessert. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind die Rituale aber auch heute noch üblich. Viele Russen würden deshalb versuchen, dem Militärdienst zu entgehen. In Russland gilt Wehrpflicht für alle Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren.