Nach den Schüssen nahe der Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau gibt es neue Spekulationen um die Hintergründe des Angriffs. Es werde überprüft, ob der Täter Verbindungen zu Terroristen und Extremisten aus dem Nordkaukasus oder Syrien hatte. Das schrieb die russische Tageszeitung "Wedomosti" in der Nacht auf Freitag unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Möglicherweise sei der Angriff als Provokation geplant worden. Der Angriff auf die FSB-Zentrale fand nämlich fast zum selben Zeitpunkt statt, als im Kreml der Tag des Mitarbeiters der staatlichen Sicherheitsorgane gefeiert wurde. Daran nahm auch der russische Staatschef Wladimir Putin teil.

Schüsse am Lubjanka-Platz 

Am Donnerstag hatte ein Unbekannter am Lubjanka-Platz im Moskauer Stadtzentrum auf Sicherheitskräfte geschossen. Dabei starb ein FSB-Mitarbeiter, zusätzlich seien fünf Menschen verletzt worden, darunter auch ein Zivilist. Der Täter sei unmittelbar nach dem Angriff getötet worden, teilte das staatliche Ermittlungskomitee mit. Seine Identität werde noch ermittelt. Die Ermittler in Moskau leiteten ein Strafverfahren wegen Angriffs auf Sicherheitsorgane ein.

Einem Bericht des Staatssenders RT zufolge fielen die Schüsse im Empfangsbereich des FSB. Dort war von drei Angreifern die Rede, zwei sollen bei einem Schusswechsel mit dem Wachdienst getötet worden sein. Der dritte mutmaßliche Täter konnte demnach zunächst flüchten. Es seien dann weitere Schüsse gefallen, hieß es. Dabei sei ein Verkehrspolizist getötet worden. Bestätigt wurden diese Angaben nicht.

Ein Angreifer soll sich nach der Attacke in ein Gebäude geflüchtet und von dort aus weitere Schüsse abgegeben haben und sei getötet worden, wie RT berichtete. Der FSB bestand zunächst darauf, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt habe. Der Nationale Wach- und Sicherheitsdienst, der das FSB-Gebäude bewacht, teilte zudem mit, dass niemand in die Geheimdienstzentrale eingedrungen sei.

Die Polizei soll auch Stunden nach den Schüssen nach weiteren Verdächtigen gesucht haben, berichtete die Zeitung "RBK". Die Sicherheitskräfte hätten alle Hinterhöfe und nahe gelegene Gebäude durchsucht und verdächtige Passanten durchsucht. Am Tatort sei auch ein herrenloser Rucksack gefunden worden, berichtete die Zeitung "Moskowski Komsomolez".

Videos

Auf Videoaufnahmen im Internet waren bewaffnete Männer zu sehen, die aus den Geheimdienst-Büros gerannt kamen, während Schüsse zu hören waren. Zudem war zu sehen, wie Polizisten durch ein belebtes Geschäftsviertel im Zentrum Moskaus liefen. Auf einem weiteren Video war zu sehen, wie Schüsse aus den Fenstern der Geheimdienst-Zentrale abgegeben wurden.

Im Online-Dienst Telegram kursierte ein Video, das einen davonlaufenden Mann zeigte, dem in den Rücken geschossen wurde. Anschließend blieb er auf einem Parkplatz in der Nähe des auch als Lubjanka-Gebäude bekannten FSB-Hauptquartiers liegen.

Die Polizei riegelte das Gebiet ab. Die Moskauer Verkehrsbehörde teilte im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, die Bolschaja-Lubjanka-Straße sei für den Verkehr gesperrt worden. Die Polizei ließ auch keine Fußgänger in die Nähe des Tatorts. Die Moskauer Verkehrsbetriebe erklärten, der Zugang zur Metro an der nahe der FSB-Zentrale gelegenen Station Lubjanka sei "auf Bitten der Polizei nur begrenzt" möglich.

Der Vorfall ereignete sich einen Tag, bevor in Russland der jährliche Tag der Geheimdienste begangen wird, und wenige Stunden nach dem Ende der jährlichen Pressekonferenz von Präsident Wladimir Putin.

War es Terror?

Vor den Journalisten hatte Putin auch über die Bedrohung durch den Terrorismus gesprochen. 54 terroristisch motivierte Straftaten seien im laufenden Jahr vereitelt worden, sagte Putin. Der Nachrichtenagentur Ria Novosti zufolge nahm Putin am Nachmittag an einer Zeremonie zur Würdigung der Geheimdienste teil.

Seinem Sprecher Dmitri Peskow zufolge wurde der Präsident über den Vorfall nahe der FSB-Zentrale informiert. Dort war Putin als Leiter des Inlandsgeheimdiensts von 1998 bis 1999 selbst tätig.

In Russland hat es in den vergangenen Jahren mehrere überwiegend islamistisch motivierte Anschläge gegeben. Häufig stammten die Täter aus dem nördlichen Kaukasus. Die in unmittelbarer Nähe zur FSB-Zentrale gelegene Metro-Station Lubjanka war 2010 einer der Schauplätze eines Doppelanschlags durch Selbstmordattentäter.

Im Oktober 2018 hatte sich ein junger Mann beim FSB in der Hafenstadt Archangelsk im Norden des Landes in die Luft gesprengt. Die Behörden stuften die Tat als Terrorakt ein. Der 17-Jährige habe einen gebastelten Sprengsatz aus einer Tasche geholt, der kurze Zeit später in seinen Händen explodiert sei, teilte das Nationale Anti-Terror-Komitee Russlands damals mit. Dabei seien drei FSB-Beamte verletzt worden.

Zuvor hatte es im April 2017 einen Angriff auf ein Büro des FSB in Ostsibirien gegeben. Ein Bewaffneter erschoss zwei Menschen und wurde anschließend getötet. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) hatte die Tat für sich reklamiert.