Ihre Erschütterung vermochte die fassungslose Menschenrechtsbeauftrage des Europarats nach ihrem Abstecher in Bosniens verschneite Berge kaum in Worte zu fassen. "Dieses Lager ist eine Schande – und muss sofort geschlossen werden", erklärte Dunja Mijatovic in dieser Woche nach ihrer Visite des auf einer früheren Mülldeponie gelegenen Lagers Vucjak unweit von Bihac: "Die Bedingungen hier sind völlig menschenunwürdig. Ich kann nicht fassen, dass so etwas überhaupt geschaffen worden ist."

Rund 600 Transitmigranten

Tatsächlich haben der erste Schnellfall und eisige Temperaturen von deutlich unter Null die Bedingungen für die rund 600, zumeist aus Pakistan und Afghanistan stammenden Transitmigranten im schlimmsten Aufnahmelager auf der Balkanroute drastisch verschärfen lassen. In den völlig durchnässten Zelten stehe das Wasser, die Toiletten seien vollkommen verdreckt, aus den Duschen unter freien Himmel komme nur kaltes Wasser, die Kälte raube den Schlaf und der Rauch der in den Zelten zum Aufwärmen entfachten Feuer den Atem, umschreibt ein Pakistani namens Asfan im bosnischen "klix.ba"-Portal die Lage.

Ein Hungerstreik und Rangeleien der aufgebrachten Lagerinsassen mit der Polizei und Verhaftungen haben das berüchtigte Lager in diese Woche erneut in die Schlagzeilen gebracht. Seit das Skandallager auf dem Müllberg von der Stadt Bihac wegen der völligen Überfüllung von drei regulären Aufnahmelager eröffnet wurde, wird von Hilfsorganisationen und der EU zwar vielstimmig dessen Schließung gefordert. Doch obwohl Bosniens geschäftsführende Regierung im November den Umbau von zwei verlassenen Kasernen bei Tuzla und Sarajevo zu provisorischen Flüchtlingslagern bis zu Jahresende ankündigte, bibbern die Lagerbewohner von Vucjak vorläufig weiter auf dem Müllberg.

Bettina Vollath (SPÖ), europäische Parlamentsabgeordnete
Bettina Vollath (SPÖ), europäische Parlamentsabgeordnete © (c) APA/ERWIN SCHERIAU

Sackgasse der Balkanroute

Seit über zwei Jahren ist Bosnien und Herzegowina und vor allem der im Nordwestzipfel des Landes gelegene Kanton Una-Sana (USK) für die nach Westeuropa und Italien drängenden Transitmigranten zur Sackgasse der sogenannten Balkanroute mutiert: Bei deren Unterbringung zeigt sich der dysfunktionale Vielvölkerstaat völlig überfordert. Stattdessen schieben sich die Behörden auf Landes-, Teilstaat- und Kantonsebene sowie die EU gegenseitig den Schwarzen Peter für die humane Katastrophe zu. Leidtragende sind neben den Migranten die Kommunen und Anwohner der betroffenen Städte: Sie haben praktisch für das ganze Land die Last von Bosniens Flüchtlingskrise zu tragen.

Die EU verweist auf 36 Millionen Euro Hilfsgelder, die 2019 bereits bewilligt worden seien, aber nirgendwo angekommen zu sein scheinen - und glänzt ansonsten mit Appellen. Die wegen Vucjak hart kritisierte, aber völlig überforderte Stadt Bihac fühlt sich genauso wie die Kantonverwaltung von ihrem eigenen Staat, aber auch Europa völlig im Stich gelassen. Die nach Westen in Richtung der slowenischen Schengengrenze drängenden Flüchtlinge wollen sich kaum in andere, grenzferne Regionen verlagern lassen: Verzweifelt und aussichtslos fordern sie die Öffnung der Grenze zu Kroatien.