Seit langem beobachten Forscher feine, röhrenartige Plasmaeruptionen auf der Sonne: sogenannte Spikulen. Die Ursache der nur für wenige Minuten sichtbaren zierlichen Plasmajets blieb bisher unklar. Nun bekräftigt eine Beobachtung internationaler Forscher, dass die magnetische Rekonnexion dabei eine Rolle spielt. Grazer Forscher sind an der jüngsten Publikation im Fachjournal "Science" beteiligt.

Laufend sind eine Unzahl aufwärtsgerichteter, geysirartiger Plasmasäulen in der Chromosphäre der Sonne beobachtbar. Sie erreichen Höhen von bis zu 5.000 Kilometer. Verglichen mit den großen Protuberanzen wirken diese stark aufgeheizten Plasmafontänen haarfein - auch wenn sie tausend Kilometer lang werden können. Da diese Plasmaflüsse, die mit Geschwindigkeiten von durchschnittlich 15 bis 40 Kilometern pro Sekunde hinauskatapultiert werden, nur wenige Minuten existieren, ist es schwierig sie zu untersuchen.

Seit 140 Jahren rätseln Forscher

Seit rund 140 Jahren rätselt man daher schon, wie sie entstehen und welche physikalischen Prozesse ihnen zugrunde liegen, schilderte Dominik Utz im Gespräch mit der APA. Er ist einer der Co-Autoren der jüngsten Publikation zu dieser Thematik. Zeitlich höchstaufgelöste Beobachtungen geben nun Einblicke in die Entstehungsmechanismen und stellen auch einen Zusammenhang mit der Aufheizung der Sonnenkorona her.

Die sogenannte Rekonnexion zwischen gegenpoligen magnetischen Feldern wäre eine Möglichkeit, um den Ursprung der Spikulen zu erklären: Dabei handelt es sich um eine plötzliche Neuverbindung entgegengesetzter Feldlinien eines Magnetfeldes innerhalb eines Plasmas. Sie tritt auf, wenn sich zwei gegenpolige Magnetfelder im Plasma zu nahe kommen. Die Feldlinien brechen auf, um sich anschließend neu zu formieren (re-connect). Dabei ändert sich plötzlich die Ausrichtung des Feldes, wobei explosionsartig große Mengen magnetischer Energie in andere Energieformen umgewandelt werden.

Tanmoy Samanta und Hui Tian von der Peking University haben mit ihren internationalen Kollegen mit dem Goode Solarteleskop im kalifornischen Big Bear Solar Observatory (BBSO) Spikulen über einen längeren Zeitraum beobachtet. Parallel dazu haben sie das Magnetfeld der Sonnenphotosphäre gemessen. Wie die Autoren in der Publikation darlegten, entstanden die Spikulen hauptsächlich an den Grenzen des sogenannten magnetischen Netzwerkes, in welchem das Magnetfeld in vertikalen Flussröhren konzentriert ist. Sie konnten beobachten, dass das gehäufte Auftreten von Spikulen mit dem Auftreten neu erscheinender kleinskaliger Magnetfelder einherging, die eine gegensätzliche Polarität zum vorherrschenden magnetischen Netzwerk haben.

Flusslinien-Rekonnexion

In den Flusspunkten von einigen Spikulen haben die Forscher tatsächlich magnetische Flussauslöschungen - ein Anzeichen für magnetische Flusslinien-Rekonnexion - erkennen können. "Die Rekonnexion selbst kann man ja nicht beobachten, nur die Auswirkungen", erklärte Utz. Insgesamt würden die Auswertungen die Hypothese stützen, dass die magnetische Rekonnexion "höchstwahrscheinlich der Treiber der Entstehung vieler Spikulen" ist, wie es der Grazer Spezialist für kleinskalige Magnetfelder formulierte.

Viele Wissenschafter vermuten, dass Spikulen für die Energie- und Masseflüsse von der unteren Sonnenatmosphäre in höhere Schichten verantwortlich sind und so auch eine Rolle bei der Erwärmung der Sonnenkorona spielen dürften. Die jüngsten Beobachtungen bekräftigen auch diese Vermutung. Die Kombination der BBSO-Daten und gleichzeitig aufgenommener Daten des Atmospheric Imaging Assembly an Bord des Solar Dynamics Observatory der NASA zeigten eine lokale Erwärmung der oberen Sonnenatmosphäre.