Schwer bewaffnete Täter haben mitten in der deutschen Stadt Halle an der Saale zwei Menschen erschossen. Die Stadt Halle sprach am Mittwoch von einer "Amoklage". In Deutschland aber auch in Wien wurde der Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt. Zwar sei der Objektschutz aufgrund des jüdischen Feiertages Jom Kippur ohnehin stärker, aufgrund der unsicheren Lage in Deutschland seien nun aber auch Beamte der Sondereinheit Wega hinzugezogen worden.

Die jüdische Gemeinde in Halle berichtete, der Täter habe versucht, das Tor der zum jüdischen Feiertag Jom Kippur voll besetzten Synagoge aufzuschießen. Zudem soll zumindest ein Täter seine Aktionen mit einer Go-Pro-Kamera gefilmt und live im Internet auf der Streaming-Plattform Twitch übertragen haben. 

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorotzki, sagte dem "Spiegel" weiter, die Sicherungsvorkehrungen am Eingang hätten "dem Angriff standgehalten". Wie später bekannt wurde, haben die Täter auch selbst gebastelte Sprengsätze vor der Synagoge platziert.

Ein Todesopfer lag gegenüber der Synagoge, über das zweite gab es noch keine gesicherten Informationen. Ein Täter soll aber in einen nahe gelegenen Döner-Imbiss geschossen haben, wie mehrere Augenzeugen berichteten.

Amateuraufnahmen zumindest einem der Angreifer
Amateuraufnahmen zumindest einem der Angreifer © Twitter

Die Gegend um das Lokal - etwa 600 Meter entfernt von der Synagoge - war abgesperrt. Die Stadt rief die Menschen überall in Halle dazu auf, in Sicherheit in Gebäuden zu bleiben.

Schussverletzungen

Im Universitätsklinikum Halle werden nach den tödlichen Schüssen zwei Verletzte behandelt. "Ein Patient hat Schussverletzungen, er wird gerade operiert", sagte Klinikumssprecher Jens Müller der Deutschen Presse-Agentur in Halle. Zur Identität der Verletzten konnte er zunächst keine Angaben machen.

Der deutsche Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen an sich. Auch ein Sprecher des Innenministeriums sagte in Berlin, die Hintergründe der Tat seien noch nicht bekannt. Die Polizei warnte vor Spekulationen.

Ein Polizeisprecher sagte dem "Spiegel", ein Mann sei in einem Imbiss getötet worden. Das andere Opfer in der Nähe der Synagoge sei eine Frau. Auf dpa-Anfrage wollte die Polizei zu den Opfern zunächst nichts offiziell sagen, weder zum Geschlecht, noch wo sie gefunden wurden.

Hubschrauber in Landsberg

Augenzeugen in Halle berichteten von einem Täter, der einen Kampfanzug und ein Gewehr getragen haben soll. Medien zeigten entsprechende Aufnahmen. Demnach soll es auch eine Explosion auf einem Friedhof gegeben haben.

Laut Medienberichten soll ein Mann in einem Dönerladen getroffen worden sein
Laut Medienberichten soll ein Mann in einem Dönerladen getroffen worden sein © (c) APA/Sebastian Willnow (Sebastian Willnow)

Auch in Landsberg, rund 15 Kilometer östlich von Halle, gab es Schüsse, bestätigte eine Polizeisprecherin in Halle. Menschen sollen auch hier Gebäude und Wohnungen nicht verlassen, hieß es. Die Polizei hat die Zufahrt zum Ortsteil Wiedersdorf gesperrt.

Im nahe gelegenen Leipzig verstärkte die Polizei ihre Kräfte vor der Synagoge. Auch vor der Synagoge in Dresden wurde nach Angaben der Polizei der Schutz erhöht. In anderen deutschen Städten wurde der Schutz entsprechend verstärkt.

Der Bahnhof von Halle wurde wegen polizeilicher Ermittlungen gesperrt. Das teilte die Deutsche Bahn über Twitter mit. Es komme zu Verspätungen.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die deutsche Regierung hoffe, dass der Täter oder die Täter schnell gefasst würden. Die Gedanken gingen "an die Freunde und die Familien der Todesopfer", sagte er.

"Feiger Anschlag"

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff zeigte sich erschüttert über die tödlichen Schüsse. "Ich bin entsetzt über diese verabscheuenswürdige Tat", erklärte Haseloff am Mittwoch. Dadurch seien nicht nur Menschen zu Tode gekommen, die Tat sei "auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land". Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus.

Das Europaparlament gedachte am Mittwochnachmittag mit einer Schweigeminute der Opfer. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli in Straßburg.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte: "Schreckliche Nachrichten aus Halle, heute am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur. Ich bin erschüttert & traurig." Allen Verletzten und Angehörigen wünschte er viel Kraft und dankte den Einsatzkräften.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schrieb auf Twitter: "Am höchsten jüdischen Feiertag ein Anschlag auf jüdisches Leben in Deutschland - ekelhaft! Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz haben.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel twitterte: "Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Ich hoffe, die Polizei fasst den oder die Täter schnell, ohne dass weitere Menschen zu Schaden kommen."

Außenminister Heiko Maas und Vizekanzler Olaf Scholz (beide SPD) zeigten sich erschüttert über die Todesschüsse von Halle. Dass am Versöhnungsfest Jom Kippur "auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz", schrieb Maas am Mittwoch über den Kurzbotschaftendienst Twitter. "Wir alle müssen gegen den Antisemitismus in unserem Land vorgehen", betonte er.

Der deutsche Finanzminister Scholz sagte am Rande des Treffens der Euro-Finanzminister in Luxemburg: "Das sind sehr erschütternde Nachrichten, die wir aus Halle bekommen haben." Ganz klar sei, "dass auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes jüdischen Glaubens sicher sein können, dass wir mit unseren Herzen bei ihnen sind und dass wir ihnen die ganze Solidarität übermitteln, die uns überhaupt möglich ist".