Hurrikan „Dorian“ scheint zumindest Florida zu verschonen. Seine Ausläufer streiften gestern nur das US-Festland, nachdem der Sturm zuvor die Bahamas verwüstet und dort mindestens fünf Menschenleben gefordert hatte. Angesichts der katastrophalen Zerstörung zog Regierungschef Hubert Minnis einen dramatischen Vergleich: „Die Bahamas sind derzeit im Krieg, sie werden von Hurrikan 'Dorian' angegriffen.“

Das US-Hurrikanzentrum stufte „Dorian“ gestern zunächst auf die Stufe drei, dann auf Stufe zwei herab, weil der Sturm zunehmend an Kraft verliert. Die Gefahr, die von dem immer noch gewaltigen Sturmtief mit Windspitzen von 175 Stundenkilometern ausgeht, ist damit aber noch nicht gebannt. Auch Rettungseinsätze waren in vielen betroffenen Gebieten zunächst noch nicht möglich. Am Montag waren im Zentrum des Sturms noch Windspitzen von mehr als 300 Kilometern pro Stunde gemessen worden.

Damit zählt „Dorian“ zu den gefährlichsten Hurrikans, die jemals von Meteorologen erfasst wurden – einem der Stufe fünf. Dabei ist der Sturm einer jener, die die Saffir-Simpson-Skala längst schon gesprengt haben. Wie das US-Hurrikanzentrum mitteilte, war Dorian kurzzeitig gleichauf mit dem berühmten Labor Day Hurrikan von 1935, dem stärksten jemals auf Land getroffenen Hurrikan im Atlantik. Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung wies zuletzt darauf hin, dass es zum ersten Mal in der Geschichte der Aufzeichnungen vorkam, dass in vier aufeinanderfolgenden Jahren im Atlantik ein Sturm der Stärke fünf auftrat.

Häufigkeit und Heftigkeit steigen

Nicht nur die Häufigkeit, auch die Heftigkeit der Stürme nimmt tendenziell zu. Forscher in den USA überlegen daher schon länger, ob man nicht eine Stufe sechs auf der Skala definieren müsste. Einer dieser Vertreter ist der US-Meteorologe Jeff Masters, der immer wieder vor diesen Super-Stürmen warnt. Dabei sei nicht mehr die Frage, ob diese extrem zerstörerischen Wetterphänomene im Atlantik auftreten, sondern wann. Diese These stützt sich vor allem auf die Tatsache, dass Hurrikans von warmem Wasser befeuert werden. Ab einer Wassertemperatur von 26,5 Grad können sich die Stürme aufbauen. Dabei gilt auch: Je wärmer das Wasser, desto stärker können die Stürme werden.

Unterstützt wird die Prognose von Aufzeichnungen der US-amerikanischen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA. Diese weisen nach, dass seit dem Jahr 1980 die Stürme der Kategorie vier um 60 Prozent, und die der Kategorie fünf sogar um mehr als 100 Prozent zugenommen haben. Auch die Weltwetterorganisation WMO bestätigt in einem Bericht vom März, „dass im globalen Mittel die Intensität der stärksten Tropenstürme seit Anfang der Achtzigerjahre spürbar zugenommen hat.“

Der Ubimet-Meteorologe Michele Salmi kennt die Diskussion um eine Stufe sechs. Inoffiziell gebe es diese Gespräche schon länger, Definitionen dafür gebe es noch nicht. Salmi definiert die Grenze entsprechend der alten Skala bei etwa 290 km/h Windgeschwindigkeit. Achtmal habe man im Atlantik Stürme mit dieser Stärke beobachtet. Nur einer davon, der Labour Day Hurrikan, ereignete sich vor 1980. Stürme über anderen Weltmeeren, Taifune oder Zyklone, waren teilweise sogar noch kraftvoller. Auch abseits der US-Küsten nehmen Anzahl und Stärke der Stürme im Durchschnitt zu – zusammen mit der Meerestemperatur.