Der spanische Opernstar Plácido Domingo (78) hat Vorwürfe sexueller Übergriffe zurückgewiesen. "Die Anschuldigungen dieser ungenannten Personen, die bis zu dreißig Jahre zurückliegen, sind zutiefst beunruhigend und - so wie sie dargestellt werden - unzutreffend", so Domingo am Dienstag in einer Stellungnahme. Domingos Einsatz in Salzburg kommende Woche soll laut Festspielen nicht betroffen sein.

Es sei schmerzhaft zu hören, dass er jemanden verletzt haben könnte oder Unwohlsein verursacht habe, erklärte Domingo in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in New York am Dienstagabend vorlag. "Ich habe geglaubt, dass all meine Handlungen und Beziehungen immer gewünscht und einvernehmlich waren." Er erkenne jedoch an, dass sich heutige Regeln und Standards von denen der Vergangenheit unterschieden.

Negative Folgen für Karriere

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AP haben mehrere Sängerinnen und eine Tänzerin dem Opernstar sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Die Frauen berichteten demnach von Umarmungen, von Küssen auf den Mund, von nächtlichen Telefonanrufen und davon, dass Domingo auf private Treffen gedrängt habe. Betroffene hätten auch von negativen Folgen für ihre Karriere berichtet, nachdem sie sich Domingos Avancen verweigert hätten. Die betroffenen Frauen äußerten sich mit einer Ausnahme anonym. Die angeblichen Übergriffe reichen demnach bis zu drei Jahrzehnte zurück.

Ermittlungen angekündigt

Nach den Vorwürfen kündigte die von Domingo geleitete Oper in Los Angeles eigene Ermittlungen an. "Die LA Oper wird externen Rechtsbeistand hinzuziehen, um die entsprechenden Vorwürfe in Bezug auf Plácido Domingo zu untersuchen", teilte eine Sprecherin in einer Stellungnahme mit. Domingo leitet das Haus als Generaldirektor seit 2003. Das Philadelphia Orchestra, bei dem Domingo im September eigenen Angaben zufolge auftreten sollte, sagte den Konzertabend ab.

Einsatz bei Festspielen

Ungeachtet der aktuellen Vorwürfe soll der geplante Einsatz von Domingo in der konzertanten Fassung der "Luisa Miller" am 25. und 31. August bei den Salzburger Festspielen ungefährdet sein. Darüber sei sich das Direktorium einig, so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler in einem der APA vorliegenden Statement. Sie kenne den Sänger seit mehr als 25 Jahren: "Zu seiner künstlerischen Kompetenz hat mich von Anfang an sein wertschätzender Umgang mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Festspiele beeindruckt."

"In dubio pro reo"

Als Juristin gelte für sie der Grundsatz "In dubio pro reo" (Im Zweifel für den Angeklagten, Anm.). "Ich fände es sachlich falsch und menschlich unverantwortlich, zum derzeitigen Zeitpunkt endgültige Urteile und darauf beruhende Entscheidungen zu fällen", so Rabl-Stadler.

Abwarten möchte auch noch die Wiener Staatsoper. Man wolle sich nach den Ende August ablaufenden Theaterferien ausführlich mit der Causa befassen, Gespräche führen und dann entscheiden, heißt es gegenüber der APA. Placido Domingo ist heuer noch für drei Auftritte in Verdis "Macbeth" ab dem 25. Oktober im Haus am Ring angekündigt. Außerdem soll er dort am 20. Oktober im Rahmen der Europäischen Kulturpreisgala ausgezeichnet werden.

Absage in Philadelphia

Angesichts der Vorwürfe zog dagegen die Orchestervereinigung von Philadelphia ihre Einladung an Domingo für ihr Eröffnungskonzert am 18. September zurück. Das Orchester, sein Personal und Publikum brauche eine "respektvolle Umgebung", hieß es zur Begründung. Auch die Oper von San Francisco sagte einen für Anfang Oktober geplanten Auftritt von Domingo ab.

Die Metropolitan Oper in New York erklärte, sie werde das Ergebnis der Untersuchung in Los Angeles abwarten, bevor sie eine endgültige Entscheidung über die Zusammenarbeit mit Domingo treffe. Der Spanier sollte dort im September in "Macbeth" und im November in "Madama Butterfly" auftreten. Der langjährige musikalische Leiter der Met, James Levine, war vergangenes Jahr nach einer internen Untersuchung zu Missbrauchsvorwürfen zunächst suspendiert und schließlich entlassen worden.

Plácido Domingo ist einer der größten Klassikstars der Gegenwart. Über Jahrzehnte war der Tenor an allen großen Opernhäusern der Welt zu Gast. Vor einigen Jahren wechselte er ins Baritonfach. Er bestritt als Opernsänger nach eigenen Angaben mehr als 4000 Aufführungen. Im vergangenen Jahr sang er bei den Salzburger Festspielen seine 150. Opernrolle.

Große Erfolge feierte Domingo als einer der "Drei Tenöre" zusammen mit Luciano Pavarotti und José Carreras. Als Dirigent leitete er mehr als 500 Opernaufführungen und Konzerte.